Süddeutsche Zeitung 15.04.2000 Waffen von Weltruf Auf der Liste der größten Rüstungslieferanten rangiert Israel auf Rang Fünf Von Thorsten Schmitz Israel ist bekannt dafür, dass es Orangen aus Jaffa exportiert und hoch talentierte Computerfreaks. Dass Israel einen Großteil seiner Einnahmen allerdings mit Rüstungsgütern erzielt, wird allenfalls durch aktuelle Ereignisse wie den Besuch des chinesischen Staatspräsidenten Jiang Zemin in dieser Woche oder die Hungersnot in Äthiopien ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Ein großes Thema beim Jiang-Besuch war die Lieferung eines luftgestützten Radar-Frühwarnsystems an China. Und bei der Analyse der Hungerkatastrophe am Horn von Afrika wird wieder einmal deutlich, dass Israel einer der größten Munitionslieferanten des äthiopischen Kriegsgegners Eritrea ist. Fleiß und Qualität haben Israel einen Spitzenplatz auf der Liste der weltweit größten Waffenexporteure verschafft. Nach einer Studie des Internationalen Instituts für Strategische Studien (IISS) in London lag Israel 1998 hinter den Vereinigten Staaten, Frankreich, Großbritannien und Russland auf Rang Fünf. Laut IISS verkaufte Israel Waffen im Wert von 1,2 Milliarden Dollar. Großkunde China Die israelische Rüstungsindustrie ist mit 14 000 direkt Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber im Lande. Zur Stärkung seiner Verteidigungskraft hat Israel neben den vor allem aus den USA gelieferten Rüstungsgütern viele eigene, den speziellen Bedürfnissen angepasste Waffensysteme entwickelt. Die dabei aufgebauten Kapazitäten lassen sich nur wirtschaftlich nutzen, wenn man exportiert. Drei Viertel der Produktion verkauft Israel ins Ausland. Der israelische Staat subventioniert seine Rüstungsindustrie jährlich mit 200 Millionen Dollar. Einer der dankbarsten Abnehmer ist China; Israel wird zu den drei größten Waffenlieferanten Pekings gerechnet. Still und leise versorgt Israel das Reich der Mitte mit Know-How und Hardware, darunter Panzerkanonen, Raketenabwehrtechnik und Baupläne des in Israel entwickelten Kampfflugzeugs Lavi. Amerikanische Militärexperten sagen, dass das neue chinesische Kampfflugzeug J-10 auf dem Lavi basiert. In einem Hangar der "Israel Aircraft Industry" auf dem Internationalen Flughafen von Tel Aviv wird zur Zeit ein Transportflugzeug vom russischen Typ Iljuschin-76 aus chinesischem Bestand mit dem Radar-Frühwarnsystem Phalcon ausgerüstet, das dem von der Nato eingesetzten AWACS nachempfunden ist. Mit Hilfe von Phalcon können Schiffs-, Flugzeug- und Truppenbewegungen im Umkreis von 400 Kilometern aus der Luft beobachtet werden. China und Israel dealen auf dem Rüstungssektor bereits seit den frühen achtziger Jahren - lange bevor beide Staaten 1992 diplomatische Beziehungen aufnahmen. Israel verbindet mit der engen militärischen Zusammenarbeit die Hoffnung, dass China im Gegenzug darauf verzichtet, den Irak, Iran oder die Palästinenser mit Waffen zu versorgen. Allerdings gibt es Berichte, wonach manche mit israelischer Hilfe hergestellte Systeme in iranischen Waffen Anwendung finden. Bis zum Sturz des Schahs 1979 war Israel ohnehin einer der größten Waffenlieferanten Teherans. Auch hat Israels Glaubwürdigkeit in Bezug auf Rüstungsexporte gelitten, seit Experten 1989 auf Fotos von Panzern, die beim Massaker auf dem Tiananmen-Platz in Peking eingesetzt waren, israelische Geschütze erkannten. Zu den Kunden des Waffenexporteurs Israel gehören inzwischen 54 Staaten, darunter Südkorea und Singapur, aber auch Rumänien, Kroatien und die Türkei. Mit Ankara verbindet Israel seit 1996 eine enge militärische Zusammenarbeit: Weil das eigene Staatsgebiet sehr klein ist, dürfen israelische Kampfpiloten über türkischem Gebiet trainieren. Derzeit hofft "Israel Aircraft Industry" auf den türkischen Auftrag zur Lieferung von 145 Kampfhubschraubern im Wert von einer Milliarde Dollar. Neuerdings steht auch fest, dass Israel Waffengeschäfte mit Indien betreibt. Der Chef von "Israel Aircraft Industry", Mosche Keret, räumte Anfang der Woche gegenüber der Zeitung Jerusalem Post ein, dass Indien "ein wichtiger Absatzmarkt für unsere Produkte" sei. Dass die USA 1998 nach den dortigen Atomtests ein Militärhilfe-Embargo gegen Indien und Pakistan verhängt haben, scheint in Israel nicht zu stören. Laut Jerusalem Post hat Israel unbemannte Fluggeräte, die meistens zur Luftaufklärung eingesetzt werden, sowie "hochmoderne Rüstungselektronik" an Indien verkauft. Demzufolge will Indien auch das von Israel entwickelte Kurzstrecken-Antiraketen-System Barak (hebräisch für Blitz) kaufen. Die Regierung hält sich, wenn es um ihre Rüstungsexporte geht, äußerst bedeckt. Bis heute nicht dementiert wurde allerdings ein Bericht der Jerusalem Post vor zwei Jahren, wonach israelische Militärs am Bau einer Waffenfabrik im birmesischen Rangun beteiligt gewesen seien. Vor kurzem berichtete die britische Fachzeitschrift Intelligence Review, dass das israelische Rüstungsunternehmen "Elbit" vor drei Jahren einen Auftrag aus Rangun zur Modernisierung der Luftwaffe erhalten habe. Zudem habe Israel an das Militärregime in Birma Infrarot-Erfassungsgeräte sowie Raketen und Bomben geliefert. Dass Israel Waffen exportiert in Länder wie China, dem Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden, und wie Birma, gegen das die Europäische Union ein Waffenembargo verhängt hat, ruft in Israel keine Proteste hervor. Das Land ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Im Übrigen meinte Außenminister David Levy diese Woche während der Phalcon-Debatte, wenn Israel nicht liefere, würden eben andere Produzenten gern einspringen. |