HANDELSBLATT 16. April 2000 Neue Ölpipelines sollen Ölexporte steigern - Kasachstan hat strategische Bedeutung für die USA Albright will ein unabhängiges Zentralasien bbr ASTANA. Zentralasien ist eine Region, die auf Grund seiner entfernten geographischen Lage im Westen selten Beachtung findet. Wären die ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens nicht so reich an Erdöl, würden sie vermutlich ganz missachtet werden. Doch seitdem Wladimir Putin Ende März zum russischen Präsidenten gewählt wurde, sind Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan in den Blickwinkel des Weltinteresses geraten. Putin hat sich zum Ziel gesetzt, Russland wieder stark und einflussreich zu machen, was zwangsläufig Konsequenzen für die früheren Kolonien hat. Um dem Druck Russlands auf Zentralasien entgegenzuwirken und die eigenen Interessen an den Ölvorkommen zu sichern, hat die amerikanische Regierung in den letzten drei Wochen mehrere hochrangige Regierungsbeamte, darunter die Direktoren des CIA und des FBI, zu Kurzbesuchen in die Region geschickt. Am Wochenende traf nun die amerikanische Außenministerin Madeleine Albright in der kasachischen Hauptstadt Astana ein. "Ich bin hierhergekommen, um unsere enge Beziehung zu Kasachstan und unsere Unterstützung für seine Unabhängigkeit und Souveränität sowie die wirtschaftliche Entwicklung und demokratische Evolution deutlich zu machen", sagte Albright nach ihrem Treffen mit dem kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew am Samstag. Kasachstan ist von strategischer Bedeutung für die USA. Mehr als 100 amerikanische Unternehmen sind in Kasachstan tätig. Amerikanische Ölfirmen sind besonders führend unter den ausländischen Investoren. Die Firmen Chevron und Mobil sind mit jeweils 45 und 25 Prozent an dem riesigen Ölfeld Tengis im Westen des Landes beteiligt. Aber da es bislang nur eine Ölexportpipeline gibt, die dazu noch durch Russland führt, war Kasachstan bisher nicht in der Lage, sich wirtschaftlich von seinem großen Nachbarn unabhängig zu machen. Dieses Problem wird von Turkmenistan wie auch von Aserbaidschan geteilt. Der Bau von Öl-Pipelines soll US-Interessen stützen Eine Lösung sieht die amerikanische Regierung in dem Bau mehrerer Ölpipelines durch andere Nachbarländer. Doch als erstes wird vom Kaspischen Pipeline Konsortium eine neue Pipeline von Tengis zum russischen Schwarzmeerhafen Noworossiisk gebaut, die Mitte 2001 in Betrieb genommen werden soll. Die von den Amerikanern langfristig bevorzugte Route ist jedoch eine 1 730 km lange Pipeline, die von der am Kaspischen Meer gelegenen aserbaidschanischen Hauptstadt Baku über die georgische Hauptstadt Tbilisi zum türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan laufen soll und laut Plan von 2001 bis 2004 gebaut werden soll. Durch sie wären die Ölstaaten in Zentralasien wie auch im Kaukasus nicht länger auf Russland angewiesen und könnten beliebige Volumen an Öl exportieren. Auch vom Tisch wäre dann die oft diskutierte Variante einer Pipeline durch den Iran, die sowohl kürzer als auch billiger wäre. Trotz einiger Verbesserungen in den Beziehungen zwischen den USA und dem Iran sind die USA noch nicht bereit, die seit Jahren bestehenden Sanktionen gegen den ehemaligen Erzfeind wieder aufzuheben. Doch die Umsetzung der Pläne für die Baku-Tbilisi-Ceyhan Pipeline bereitet Schwierigkeiten, die nur mit Kasachstans Unterstützung gelöst werden können. Kasachstan müsste im Jahr 20 Millionen Tonnen Öl durch diese Pipeline transportieren, damit das Projekt wirtschaftlich rentabel ist. Die Aserbaidschaner alleine produzieren nicht genügend Öl - erst in wenigen Jahren soll eine Höchstproduktion von 25 Millionen Tonnen erreicht werden - um die 50 Millionen Tonnen Kapazität der Pipeline auszufüllen. Kasachstan selbst produziert bisher nur etwa 26 Millionen Tonnen im Jahr. Albrights Besuch war daher Anlass, sich erneut der Unterstützung Kasachstans für dieses Projekts zu versichern. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991, noch bevor die Erdölvorkommen in der Region als wichtig wahrgenommen wurden, haben die USA sich gezielt um die zentralasiatischen Republiken bemüht. Das Hauptaugenmerk lag dabei zuerst auf Kasachstan, auf dessen Territorium sich Nuklearwaffen befanden - ein Überbleibsel der Sowjetunion. |