Die Welt, 19.04.00 Barak will zwei libanesische Häftlinge nicht freilassen Von Dietrich Alexander Berlin - Das Urteil des Obersten Gerichtshofes in Israel war genauso überraschend wie deutlich: Die israelische Armee habe "kein Recht, Menschen in Administrativhaft zu halten, wenn diese nicht die Sicherheit des Staates gefährden". Libanesische Gefangene dürften nicht als Faustpfand bei Verhandlungen über vermisste israelische Soldaten benutzt werden. Das Gericht wies auch den Einspruch der Organisation "Opfer des arabischen Terrors" zurück: Es gebe keine Grundlage, erneut über die Sachlage zu verhandeln, hieß es apodiktisch. Noch vor zweieinhalb Jahren hatte das Gericht die Geiselnahme für rechtens erklärt. "Ich habe meine Meinung seitdem geändert", sagte Aharon Barak, Präsident des Obersten Gerichts. Israels Ministerpräsident Ehud Barak erklärte, dass seine Regierung dieses Urteil respektieren werde. Das dürfte dem ehemaligen Generalstabschef äußerst schwer gefallen sein. Insgesamt hatten 15 Libanesen gegen ihre Inhaftierung geklagt, weil sie zum Teil seit 14 Jahren ohne Anklage und Gerichtsverfahren in israelischen Gefängnissen einsitzen. 13 von ihnen sollen nun heute freigelassen werden. Doch die beiden Prominentesten will Barak nicht gehen lassen: Den schiitischen Moslemführer Scheich Abdel Karim Obeid und den Führer der Amal-Miliz Mustafa Dirani möchte Barak "noch eine Zeitlang in Gewahrsam" halten. Dazu berief der Premier gestern sein Sicherheitskabinett ein. Es sollte eine Gesetzesinitiative erarbeiten, wonach nicht das Gericht, sondern das Verteidigungsministerium über die beiden Häftlinge zu befinden habe. Und Verteidigungsminister ist nach der Beurlaubung von Jizchak Mordechai, der sich Ermittlungen wegen sexueller Übergriffe an einer 23-jährigen Mitarbeiterin stellen muss, kein anderer als Barak selbst. Auf Antrag des Sicherheitskabinetts erklärte das Bezirksgericht in Tel Aviv zunächst, dass Obeid und Dirani bis zu ihrer nächsten Anhörung am 8. Mai in Haft bleiben. Die Libanesen waren in den achtziger und neunziger Jahren aus dem Nachbarland entführt worden und sitzen seither ohne Prozess als "Faustpfand" in israelischen Gefängnissen. Absicht der israelischen Armee war es ursprünglich, die Mitglieder antiisraelischer Schiiten-Milizen gegen im Libanon vermisste Israelis auszutauschen. Obeid war vor elf Jahren, Dirani vor sechs entführt worden. Sie sollen direkt an Anschlägen gegen Israelis und an der Festnahme des noch immer vermissten israelischen Flugnavigators Ron Arad beteiligt gewesen sein. Sie seien, so die Argumentation der israelischen Regierung, eben nicht als mögliche "Austauschgeiseln" verhaftet worden, sondern wegen ihrer Taten. Ron Arad wurde 1986 über dem Libanon abgeschossen. Inzwischen wird bezweifelt, dass er noch am Leben ist. Von Arad gab es seit zehn Jahren kein Lebenszeichen mehr. |