Die Presse | Wien 25.4.2000 Irans Konservative schlagen zurück - Reformer stoßen an Grenzen Nach dem Wahlsieg im Februar geraten die Reformer nun wieder in die Defensive; am Wochenende wurden zwölf Zeitungen verboten. Von unserem Korrespondenten JAN KEETMAN ISTANBUL/TEHERAN. Wer meinte, nach dem Überwältigenden Triumph bei den Parlamentswahlen im Februar säßen die Reformer nun fest im Sattel der iranischen Politik, der hat sich gründlich getäuscht. Noch immer geht die konservative Justiz mit der Brechstange gegen die Reformpresse vor. Selbst Reza Khatami, der Bruder des Präsidenten Mohammed Khatami, steht als Herausgeber der Zeitung Moscharekat (Teilnahme) wegen Verleumdung unter Anklage; er wurde gezwungen, eine Kaution zu hinterlegen, obwohl gegen ihn kein Haftbefehl besteht. Reza Khatami und seine "Front für Teilnahme" waren die klaren Sieger bei den Parlamentswahlen gewesen. Gleichzeitig verschärfte das von den Konservativen beherrschte alte Parlament, noch rasch das Pressegesetz. Proteste Jugendlicher Der Streit zwischen Konservativen und Reformern spielt sich jedoch nicht nur vor den Gerichten ab. Im Ferienort Rascht am Kaspischen Meer kam es zu Zusammenstößen zwischen der freiwilligen Sittenpolizei Basij und Jugendlichen, die ein Paar verteidigen wollten, das wegen zu spärlicher Bekleidung angehalten worden war. 50 Personen wurden festgenommen. Demonstrationen und Tumulten gab es auch in zwei anderen Städten, in denen der von den Konservativen beherrschte Wächterrat den Wahlsieg von Reformkandidaten annulliert hatte. Auch die für den 21. April geplanten Stichwahlen wurden, angeblich wegen technischer Probleme, um eine Woche verschoben, sodaß das neue Parlament nicht vor Anfang Juni zusammentreten kann. Indessen stellte der religiöse Führer Ali Khamenei seine Interpretation von "Reformen" vor - die Bekämpfung von Korruption, falschen Privilegien und Verantwortungslosigkeit. Dagegen seien Forderungen nach der vollen Unterordnung der islamischen Institutionen unter die Kontrolle des Volkes und der Abschaffung der Bekleidungsvorschriften "Reformen nach Anleitung der USA." Am vergangenen Donnerstag legte der Ayatollah noch nach. In einer Rede sagte er: "Einige Pressezirkel sind zu Feinden des Islam und der Islamischen Revolution geworden." Diese "große Gefahr" müsse bekämpft werden. Darauf riefen Zuhörer: "Tod den Söldnerschreibern!" Zur Gewalt bereit Solche Drohungen sind im Iran sehr ernst zu nehmen. Zuletzt wurde der Herausgeber der Zeitung "Sobh-e Emruz" ("Heute Morgen"), Sayed Hajjarian, am 12. März bei einem Anschlag vor dem Teheraner Rathaus lebensgefährlich verletzt. Hajjarian galt als der führende Denker der Reformbewegung. Die Attentäter flohen mit einem schweren Motorrad, das im Iran nur von den Sicherheitskräften benutzt werden darf. Härtere Saiten zog am Wochenende auch das Justizministerium auf: Zwölf Zeitungen der Reformer wurden auf einen Schlag verboten. Dabei nahm das Ministerium ausdrücklich die "Sorgen des Volkes, des Führers der Islamischen Republik, Ayatollah Ali Khamenei und der Geistlichkeit", daß sich in den Zeitungen "feindliche Elemente" eingeschlichen hätten, zum Anlaß für das Verbot. Auch gegen einzelne Journalisten wird verstärkt vorgegangen. Am Wochenende mußte der bekannte Enthüllungsjournalist und Redaktionsleiter der nun ebenfalls verbotenen Zeitung "Fath", Akbar Ganji, auf Anordnung eines Gerichtes "vorübergehend in Haft". Ganji werden gute Kontakte zu Präsident Mohammed Khatami nachgesagt. Er hatte vor kurzem an einer von den iranischen Medien heftig kritisierten Tagung der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin teilgenommen. Am Sonntag wurde der Verleger der seit September verbotenen Zeitung "Neschat", Latif Safari zu 30 Monaten Haft verurteilt. |