Die Welt 25.4.2000 "Wir können nicht auf unsere Souveränität verzichten" Rauf Denktasch als "Präsident" Nordzyperns vereidigt Berlin - Der Präsident der international nicht anerkannten "Türkischen Republik Nordzypern", Rauf Denktasch, ist am Montag für weitere fünf Jahre in seinem Amt vereidigt worden. Nach dem Rückzug seines Konkurrenten Derwisch Eroglu war eine ursprünglich vorgesehene Stichwahl überflüssig geworden. Am 23. Mai beginnen in New York unter UN-Schirmherrschaft neue Gespräche über eine mögliche Wiedervereinigung der seit 1974 geteilten Insel. WELT-Mitarbeiter Ayhan Bakirdögen sprach mit dem 76-jährigen Denktasch über das Zypern-Problem. DIE WELT: Sie wollen den griechisch-zypriotischen Präsidenten Glafkos Klerides erst treffen, wenn die "Türkische Republik Nordzypern" international anerkannt wird? Rauf Denktasch: Ich habe nicht gesagt, dass ich mich mit Klerides erst treffen werde, wenn die Welt uns anerkannt. Vielmehr habe ich gesagt, dass Klerides die Wahrheiten akzeptieren muss. Er soll einsehen, dass er kein Recht hat, sich als Regierung der türkischen Zyprioten auszugeben. Danach können wir uns gleichberechtigt an den Tisch setzen. Im August 1997 hat Klerides mir in Gilion offen gesagt, er wisse, dass er die türkischen Zyprioten nicht vertreten könne. Aber weil die ganze Welt sie als legitime Regierung von ganz Zypern behandelt, kann er nicht das Gegenteil sagen. Der Zypern-Konflikt kann nicht gelöst werden, weil die Welt auf Grund einer falschen Beurteilung die griechischen Zyprioten als legitime Regierung der ganzen Insel ansieht. DIE WELT: Die griechischen Zyprioten wollen eine Föderation mit zwei Bundesstaaten und einer starken Zentralregierung, während Sie zwei unabhängige Staaten bevorzugen, die einen losen Bund eingehen. Warum sträuben Sie sich gegen die Wiedervereinigung der Insel? Denktasch: Wir wollen zwischen beiden Republiken Brücken schlagen und gute Nachbarschaft pflegen. Beide Staaten sollen bestimmte Befugnisse an eine zentrale Stelle übergeben. So entsteht nach außen ein Zypern, innen sind es zwei getrennte Staaten. Als die griechischen Zyprioten 1963 die Partnerschaft beendet und ein Blutbad veranstaltet haben, sagten sie der Welt, dass es eine innere Angelegenheit sei und man sich nicht einmischen solle. Mit einem neuen Abkommen können sie so etwas nicht mehr behaupten. Die Türkei soll weiterhin das Garantierecht haben. Unser Vorschlag will Zypern nicht teilen, sondern die geteilte Insel wieder vereinigen. Wenn später Frieden herrscht und Vertrauen entsteht, kann man von einer Konföderation zur Föderation übergehen. DIE WELT: Die Europäische Union hat mit der zypriotischen Regierung konkrete Beitrittsverhandlungen begonnnen. Man will aber kein Problemland aufnehmen und würde die Insel am liebsten vorher vereint sehen. Wie wollen Sie diesem Druck standhalten? Denktasch: Die griechischen Zyprioten wollen die Zypern-Frage aus der Verantwortung der UNO lösen und zu einem europäischen Problem machen. Die Europäer haben das begriffen. Die Türkei hat jetzt ein Bein in der EU. Sie kann das Zypern-Problem der Welt besser erklären. Wir wollen diese neue Dynamik nutzen und sind bereit, mit offenem Herzen zu verhandeln. Aber wir können nicht auf unsere Souveränität verzichten. |