HANDELSBLATT 26.4.2000 Prozess gegen Verleger-Attentäter beginnt in Teheran Druckverbot für iranisches Reform-Blatt aufgehoben Reuters TEHERAN. Nach dem umfangreichen Druckverbot für Reform-Zeitungen im Iran hat die Justiz das Publikationsverbot der beliebten Zeitung "Sobh-e Emrus" wieder aufgehoben. Das Blatt konnte am Dienstag wieder erscheinen, während das Verbot für 13 andere Zeitungen und Zeitschriften in Kraft blieb. In Teheran begann der amtlichen Nachrichtenagentur IRNA zufolge der Prozess gegen die mutmaßlichen Attentäter des "Sobh-e Emrus"-Verlegers Said Hadschdscharian, der im März bei einem Anschlag schwer verletzt wurde. Aus Protest gegen das Zeitungsverbot demonstrierten Tausende Studenten der Universität Teheran friedlich vor ihren Wohnheimen. Auch die Schriftsteller- Vereinigung P.E.N. verurteilte die Zeitungsverbote. Journalisten berichteten, die iranische Justiz habe das Druckverbot für "Sobh-e Emrus" am Montag kurz vor Mitternacht aufgehoben. In einem Kommentar der Tageszeitung heißt es am Dienstag, Irans Konservative, die in der öffentlichen Meinung keinen Rückhalt hätten, versuchten nun mit Gewalt, Einfluss zu nehmen. Konservative Zeitungen im Iran begrüßten das Druckverbot für drei Reformblätter und forderten weitere Verbote. Das Druckverbot war IRNA zufolge ohne gerichtliches Verfahren verhängt worden, weil die Zeitungen Material veröffentlicht hätten, das den Islam verunglimpfe. Der als gemäßigt geltende Präsident Mohammad Chatami hat sich wiederholt für die Freiheit der Presse in dem islamischen Religionsstaat ausgesprochen. Das geistliche Oberhaupt des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, warf vergangene Woche dagegen Teilen der Presse vor, zu Stützpunkten des Feindes geworden zu sein. Chamenei steht über allen Institutionen von Regierung und Parlament. Zusammen mit dem Wächterrat als konservativem Kontrollorgan hat er sich gegen jede Liberalisierung des Staates ausgesprochen. IRNA berichtete, im Prozess um das Attentat auf Hadschdscharian stünden acht mutmaßliche Beteiligte vor Gericht. Der Angeklagte Said Askar habe eingeräumt, auf Hadschdscharian geschossen zu haben, dann aber erklärt, hätte er den Verleger wirklich töten wollen, hätte er mehr als nur einen Schuss abgegeben. Ausländische Journalisten waren zu der Sitzung nicht zugelassen. Hadschdscharian, Verleger und Reform-Politiker im Stadtrat von Teheran, war im März von zwei Männern mit einem Kopfschuss schwer verletzt worden. Die Attentäter entkamen auf einem Motorrad. Den Behörden zufolge handelte es sich um religiöse Fanatiker, die auf eigene Faust handelten. Reformer-Kollegen Hadschdscharians allerdings erklärten, solche Anschläge könnten nur mit Unterstützung von Konservativen und Sicherheitskräften verübt werden. Motorräder wie die Fluchtmaschine seien im Iran nur für Polizei und Sicherheitskräfte zugelassen. Bei den friedlichen Protesten gegen das Zeitungsverbot hielten die Studenten alte Ausgaben verbotener Zeitungen hoch und hängten Plakate mit Aufschriften wie "Das Schweigen des Volkes ist kein Zeichen von Zustimmung" auf. Mehrere Tausend Studenten versammelten sich später in einem Hörsaal auf dem Campus der Universität Teheran. Dort hatten im vergangenen Sommer Massenkundgebungen für mehr Demokratie ihren Ausgang genommen, die zu den schwersten Unruhen im Iran seit der Islamischen Revolution im Jahr 1979 geführt hatten. Das deutsche P.E.N.-Zentrum forderte Chatami in einem offenen Brief auf, alles für die Aufhebung der Zeitungsverbote zu tun. Auch seien die P.E.N.-Mitglieder über die fortgesetzte Inhaftierung iranischer Journalisten, Schriftsteller und Intellektueller zutiefst besorgt. Außerdem werden in dem Schreiben weitere Untersuchungen des Mordes an iranischen Schriftstellern und Journalisten gefordert. |