Wiesbadener Kurier 27.04.2000 "Was die Familie erzählt, ist absolut glaubwürdig" "Stern"-Redakteur Jan Christoph Wiechmann spürte den abgeschobenen Kurden Abdulcabbar Akyüz in der Türkei auf Von KURIER-Redakteurin Anke Hollingshaus WIESBADEN Drei Seiten widmet das Magazin "Stern" in seiner morgen erscheinenden Ausgabe dem Schicksal der kurdischen Familie Akyüz, über die der KURIER bereits mehrfach berichtete. "Stern"-Redakteur Jan Christoph Wiechmann hat die Frau und die Kinder von Abdulcabbar Akyüz in Wiesbaden besucht, mit Oberbürgermeister Hildebrand Diehl und dem Chef der Ausländerbehörde, Winnrich Tischel, gesprochen. Gemeinsam mit dem Fotoreporter Michael Kerstgens hat er den Familienvater aufgespürt, der im Februar bereits zum zweiten Mal aus Deutschland in die Türkei abgeschoben wurde. Und Wiechmann ist sich sicher: "Was die Familie erzählt, ist absolut glaubwürdig." Ob auch sie zurückgehen muss in die Türkei, könnte sich ebenfalls morgen entscheiden. Wie berichtet hat der Anwalt der Kurden, Uwe Remus, mehrere Eilanträge beim Wiesbadener Verwaltungsgericht eingereicht, mit denen er eine Abschiebung verhindern will. Unter anderem deshalb, weil eine Psychologin des Frankfurter Zentrums für Folteropfer bei mehreren Mitgliedern der Familie Akyüz schwere Traumatisierungen diagnostiziert hat. Der Anwalt und andere befürchten außerdem, dass die beiden ältesten Söhne der Familie nach einer Abschiebung sofort zum Militär eingezogen und dort schikaniert würden. Mindestens einmal am Tag wechselt Abdulcabbar Akyüz zur Zeit sein Versteck, berichten die "Stern"-Reporter. Der Mann, der nach eigenen Aussagen vom türkischen Militär verfolgt wurde, weil er sich weigerte, als "Dorfschützer" in seiner Heimat zu arbeiten und deshalb 1993 zum ersten Mal geflohen ist, soll schwer mitgenommen sein. "Er war nie ein politischer Mensch", zitieren die Reporter Verwandte des Familienvaters. Und: "Er hat sein Volk nur geliebt und wollte es nicht bekämpfen." Die Wiesbadener Ausländerbehörde und auch die Gerichte, die bisher alle Asylanträge abgelehnt haben, schenken der Darstellung der Familie offenbar keinen Glauben. Dass sie aus wirtschaftlichen Gründen ihre Heimat verlassen haben sollen, kann sich Wiechmann nach seiner Recherche im Heimatdorf der Akyüz? nicht vorstellen. Die Kurden hätten dort zwei Häuser gehabt, eines sei zerstört, im anderen lebe jetzt der neue Dorfschützer. Außerdem habe er von den Bewohnern immer wieder gehört, dass Akyüz misshandelt und politisch verfolgt worden sei. "Wenn dies alles erfunden ist, müssen die Bewohner Sivrices so intensiv geprobt haben wie die Oberammergauer ihre Passionsspiele", heißt es im "Stern". Heute Nachmittag, einen Tag vor der Entscheidung des Wiesbadener Verwaltungsgerichts über die Eilanträge des Anwalts, veranstaltet der Wiesbadener Flüchtlingsrat wie berichtet um 17 Uhr eine Kundgebung vor dem Gebäude der Ausländerbehörde im Europaviertel. |