HANDELSBLATT, Mittwoch, 26. April 2000 Liberale Zeitung verwarnt Stichwahlen in Iran am 5. Mai dpa TEHERAN. Die Stichwahlen zum iranischen Parlament sollen nun am 5. Mai stattfinden. Der so genannte Wächterrat habe dem vom Innenministerium festgesetzten Datum zugestimmt, berichtete der Teheraner Rundfunk am Mittwoch. Im ersten Wahlgang im Februar hatten die Präsident Mohammed Chatami nahe stehenden Reformkräfte landesweit einen überwältigenden Sieg errungen. Wegen der zweimaligen Verschiebung der Stichwahlen hatten Reformpolitiker befürchtet, die Konservativen wollten die für den 27. Mai geplante Konstituierung des neuen Parlaments torpedieren. Der Wächterrat müsse nun klären, wie mit den Wahlergebnisse für die 30 Mandate der Hauptstadt Teheran verfahren werde, hieß es im Rundfunk. Nach Einschätzung des Rates gab es dort bei der Abstimmung im Februar Unregelmäßigkeiten. Am Dienstag hatte das von der konservativen Geistlichkeit beherrschte Kontrollorgan das Ergebnis mehrerer Wahlkreise von Teheran für ungültig erklärt, in denen Kandidaten des Reformflügels gewonnen hatten. Nach Presseberichten sollen die Ergebnisse in der Hauptstadt aber nicht grundsätzlich annulliert werden. Der Sekretär des Wächterrates, Ajatollah Ahmed Dschannati, sagte: "Wahrscheinlich würde eine erneute Auszählung zu anderen als den bereits bekannt gegebenen Ergebnissen führen". Er gab keine weitere Erläuterung, schloss aber aus, dass die Wahl insgesamt in Teheran für ungültig erklärt werde. Landesweit hatte die sozialdemokratische Partei der Kollektiven Zusammenarbeit (IIPP) des Präsidentenbruders Mohammed-Resa Chatami 175 der 290 Parlamentssitze errungen. Bislang bestätigte der Wächterrat insgesamt 185 gewählte Abgeordnete und lehnte neun ab. 65 Sitzen blieben noch unbesetzt, weil in einigen Wahlbezirken die erforderliche 25-Prozent-Hürde von keinem der Kandidaten übersprungen wurde. Über diese Mandate werden die Stichwahlen entscheiden. Unterdessen wurde die IIPP-Zeitung "Moscharekat" vom Pressegericht verwarnt. Die von Mohammad-Resa Chatami geleitete Tageszeitung habe ihre Überschriften in mehreren Ausgaben abgeändert und damit gegen das Pressegesetz verstoßen, meldete die amtliche Nachrichtenagentur IRNA. Seit dem Verbot von 13 reformorientierten Publikationen am Montag haben "Moscharekat" und das ebenfalls liberale Blatt "Sobh'e Emruz" ihre Auflagen stark gesteigert und drucken mehrere Ausgaben pro Tag. Nach Angaben der Zeitung "Entechab" trafen sich Reformpolitiker am Dienstag mit dem geistlichen Oberhaupt Ajatollah Ali Chamenei. Chamenei hatte die reformorientierte Presse in der vergangenen Woche beschuldigt, zu einem "Zentrum der Feinde" geworden zu sein. |