Der Tagesspiegel vom 29. April 2000 Deutsch-türkisches Panzergeschäft Ankara soll den Kauf von 1000 Kampfpanzern auf Wunsch der Bundesregierung verschoben haben Thomas Seibert Feuerkraft, Beweglichkeit und Einsatzfähigkeit unter extremen klimatischen Bedingungen gehören zu den technischen Kriterien der türkischen Militärs bei der Auswahl eines neuen Panzers für ihre Armee - doch es sind die politischen Bedingungen des geplanten Milliarden-Einkaufs, die immer mehr an Bedeutung gewinnen und am Ende auch den Ausschlag geben dürften. So stecken nach Informationen einer türkischen Zeitung hinter der zu Wochenbeginn vom türkischen Generalstab bekanntgegebenen Verschiebung des umstrittenen Kaufs von 1000 Kampfpanzern neben wirtschaftlichen auch außenpolitische Überlegungen. Die "Turkish Daily News" berichtete am Freitag, die türkische Seite sei mit dem Aufschub einer Bitte aus Berlin gefolgt. Der bisherige Zeitplan sah vor, dass die Prototypen der angebotenen vier Panzer noch bis Juli im zentralanatolischen Kayseri getestet werden und dass dann ein Gremium aus Spitzenvertretern von Regierung und Armee die Entscheidung für den deutschen Leopard-2 oder einen der anderen Panzer fällt. Anschließend waren die Verhandlungen mit dem ausgewählten Partner über das Joint Venture zum Bau der 1000 Panzer in der Türkei eingeplant, die bis November abgeschlossen sein sollten. Jetzt wurde der angestrebte Zeitpunkt zum Abschluss des Geschäfts um mindestens vier Monate verschoben - also wird das Rüstungsgeschäft erst im kommenden Jahr unter Dach und Fach gebracht werden. Schon seit Monaten machen in der Türkei Gerüchte die Runde, hinter den Kulissen gebe es zwischen der Bundesregierung und den türkischen Behörden Absprachen über das Panzergeschäft. So berichteten türkische Medien, Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping habe bei seinem Türkei-Besuch im Dezember hinter verschlossenen Türen die Zusage der Türken erhalten, dass der Leopard-2 der deutschen Firma Krauss-Maffei-Wegmann den Zuschlag erhalten werde. Auch wenn solche Berichte stets dementiert wurden: Alle Beteiligten wissen, dass sich das türkische Militär besonders für den Leopard-2 interessiert. Die drei ebenfalls an der Ausschreibung beteiligten Panzer-Hersteller aus den USA, Frankreich und der Ukraine sollen wegen der drohenden Benachteiligung nervös geworden sein. Nun berichtete die in englischer Sprache erscheinende "Turkish Daily News", die Bundesregierung habe in Ankara darum gebeten, die Entscheidung im Panzergeschäft zu verschieben, um in der Diskussion in der rot-grünen Koalition Zeit zu gewinnen und um die Vorbehalte der Grünen auszuräumen. Kurz nach dieser Bitte aus Berlin soll das türkische Außenministerium beim zuständigen Rüstungsbeschaffungsamt darauf gedrängt haben, den Zeitplan im Panzergeschäft außer Kraft zu setzen, was dann auch geschah. Die Bundesregierung dementierte den Zeitungsbericht. Der türkische Generalstabschef Kivrikoglu hatte bei der Bekanntgabe der Verschiebung am Montag keine Gründe genannt. In türkischen Presseberichten hieß es, die Entscheidung sei wegen der schlechten Wirtschaftslage gefällt worden: Die anvisierten 1000 Panzer sollen den türkischen Steuerzahler in den nächsten Jahren umgerechnet rund 14 Milliarden Mark kosten. Angesichts einer Wirtschaftskrise und den sozialen Problemen im Land ist das eine gewaltige Summe. Dies allein wäre schon ein guter Grund, das kostspielige Rüstungsgeschäft erst einmal zurückzustellen. Doch auch außenpolitische Überlegungen sind plausibel. Die türkische Regierung hat sehr wohl registriert, dass die Bundesregierung bei ihren jüngsten Stellungnahmen ihre Absage an eine Panzerlieferung stets mit dem Zusatz "derzeit" versah. Deshalb ist auch der türkischen Seite klar, dass es bei einer baldigen Entscheidung für den Leopard kaum Hoffnung auf eine Liefergenehmigung durch Berlin gibt. Mehr zum Thema im Internet unter: www.sipri.sc |