Frankfurter Rundschau 29.4.2000 Den Schutz vor Folter gab es erst nach der Folter Abgeschobene Kurden wurden in der Türkei misshandelt und erst nach der abermaligen Flucht hier geduldet Von Vera Gaserow (Berlin) Aus Deutschland abgeschobene Kurden sind in der Türkei weiterhin von Folter und Misshandlung bedroht. Anhand von 13 Rückkehrer-Schicksalen haben Pro Asyl und der Niedersächsische Flüchtlingsrat nachgezeichnet, wie türkische Sicherheitsbehörden nachträglich den Beweis für genau jene politische Gefährdung erbringen, die deutsche Behörden zuvor geleugnet hatten. "Ich habe die Männer mehrere Male angefleht, sie sollten mich endlich töten." So beschreibt der 33-jährige Ferit M. seine verzweifelte Lange nach der erzwungenen Rückkehr in die Türkei. Gleich nach seiner Ankunft auf dem Istanbuler Flughafen sei er festgenommen worden. Zehn Tage lang habe man ihn als mutmaßlichen PKK-Unterstützer mit Schlägen und Stromstößen gefoltert bis zur Bewusstlosigkeit. In Deutschland hatte ein Verwaltungsgericht seinen Asylantrag mit dem Hinweis abgelehnt: "Dem Kläger ist zuzumuten, in die Türkei zurückzukehren. Ihm drohen dort keine gravierenden Beeinträchtigungen individuell konkreter Art." Nachdem Ferit M. die "individuell konkreten" Misshandlungen erlitten hatte, gelang ihm abermals die Flucht nach Deutschland. Was die Behörden ihm zuvor nicht geglaubt hatten, sahen sie nun anhand ärztlicher Atteste als erwiesen an. Ferit bekam vom Asylbundesamt das "kleine Asyl" wegen drohender Gefährdung in seiner Heimat zugesprochen. Auch Yüksel K. musste nach der Abschiebung in die Türkei erst Folter am eigenen Leib erdulden, bis ein deutsches Gericht ihm nach erneuter Flucht endlich Schutz gewährte. Dreizehn solcher und ähnlicher Schicksale haben Pro Asyl und Niedersächsischer Flüchtlingsrat jetzt in einer der FR vorliegenden Dokumentation aufgelistet. Prominentester Fall ist der abgelehnte Asylbewerber Hüseyin Ayhanci, für dessen Rückkehr sich jetzt selbst das Auswärtige Amt bei Innenminister Otto Schily (SPD) stark macht, weil, so heißt es in einer amtlichen Bitte, "nicht ausgeschlossen werden kann, dass die nach der Abschiebung im November 1999 am 28. Januar 2000 erfolgte körperliche Misshandlung von Hern Ayhanci durch türkische Polizeibeamte im ursächlichen Zusammenhang mit dem erfolglosen Asylverfahren steht". Auch in fünf weiteren Fällen, die die Flüchtlingsorganisationen recherchierten, mussten deutsche Behörden inzwischen eingestehen, dass die von ihnen Abgeschobenen danach gefoltert worden waren. In mehreren Fällen versuchten die türkischen Behörden dabei gezielt, Informationen über das Engagement von PKK-Unterstützern in Deutschland und über das so genannte "Kirchenwanderasyl" in Nordrhein-Westfalen abzupressen. Die meisten der Drangsalierten waren keine hohen PKK-Funktionäre, sondern allenfalls sympathisierende Unterstützer. Einige, wie die Kurdin Can I., wurden nach ihrer Abschiebung erst nach wochenlanger Haft freigelassen, nachdem türkische Gerichte ihre Unschuld festgestellt hatten. Bereits im vergangenen Jahr hatten Pro Asyl und Flüchtlingsrat in einer Dokumentation die erneute Verfolgsgefahr für abgeschobene kurdische Asylbewerber belegt. Damals hatten sie 19 Fälle recherchiert. Einigen dieser Misshandlungsvorwürfe ist das Auswärtige Amt in seinem Asyllagebericht nachgegangen und sah sie bestätigt. "Geändert", kritisiert Kai Weber vom Niedersächsischen Flüchtlingsrat, "hat sich seitdem nichts." Die jetzt dokumentierten Fälle seien nur die Spitze des Eisberges, denn, so Weber, "nur die Mutigsten wollen ihr Schicksal veröffentlicht wissen, und nur den wenigsten gelingt der Weg zurück nach Deutschland". |