Süddeutsche Zeitung, 2.5.2000 Konservative Justiz erläßt weitere Haftbefehle Druck auf Reformer in Iran verstärkt Intellektuelle wegen Teilnahme an Konferenz in Berlin verhört Teheran (AP/dpa) - Die konservative iranische Justiz hat den Druck auf die Reformkräfte im Land weiter erhöht. Der liberale Journalist Emadeddin Baki wurde am Montag vor dem Pressegericht in Teheran verhört, nachdem er im vergangenen Jahr in einem Artikel Teile des islamischen Rechts in Frage gestellt hatte. In den vergangenen 14 Tagen hatte das Gericht Haftbefehle gegen sechs weitere Journalisten erlassen. Vier davon wurden inhaftiert. Zahlreiche weitere Reformer wurden ebenfalls vor Gericht zitiert. Präsident Mohammad Chatami hielt indes an seinem Reformkurs fest. Die Reformbemühungen seien nicht aufzuhalten, sagte er am Samstag vor mehreren tausend Arbeitern in Teheran. Der Präsident wies Anschuldigungen zurück, die Reformer wendeten sich gegen den Islam und würden vom Ausland angestiftet. Am Sonntag waren drei prominente Reformer wegen ihrer Teilnahme an einer Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin verhört worden. Für die Befragung vor dem Revolutionsgericht in Teheran wurden die drei Männer festgenommen; zwei von ihnen kamen nach dem Verhör wieder auf freien Fuß. Der Studentenführer Ali Afschari blieb dagegen in Haft. Der Journalist Hamid Resa Dschalaipur, dessen Tageszeitung Asr-e-Asadegan in der vergangenen Woche verboten wurde, sagte nach seinem Verhör, das Gericht habe ihn der Propaganda gegen die Islamische Republik beschuldigt. Seine Teilnahme an der Konferenz in Berlin sei zudem als Angriff gegen die iranische Sicherheit gewertet worden. Bereits am Samstag waren zwei Reformaktivistinnen wegen der Teilnahme an dem Kongress in Haft genommen worden. Nach Zeitungsberichten plant das von Hardlinern dominierte iranische Parlament ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Innenminister und den Kulturminister. Beide gelten als Verbündete von Präsident Chatami. Kulturminister Ataollah Mohadscherani hatte die liberale Presse gefördert und im vergangenen Jahr ein Amtsenthebungsverfahren nur knapp überstanden. Unterdessen wurden vier Todesurteile gegen Anführer der Studentenunruhen vom Juli letzten Jahres zu je 15 Jahren Haft abgemildert. Das berichtete die offizielle Nachrichtenagentur Irna unter Berufung auf Justizangaben am Sonntag.
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