Potsdamer Neueste Nachrichten, 2.5.2000

Tag der Pressefreiheit: In vielen Ländern des Mittleren Ostens herrscht die Zensur

Angesichts zahlreicher Repression gegen Journalisten bleibt das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ein unerfüllter Traum

VON BIRGIT CERHA

Bis vor wenigen Wochen haben Journalisten der arabischen Welt noch mit einer Mischung aus tiefer Bewunderung, Neid und Frustration über die eigene, triste Situation den immer reicher blühenden Pressefrühling in Iran betrachtet. In arabischen Medienkreisen wuchs angesichts des iranischen Beispiels die Hoffnung, dass auch ihre Regime zunehmend dem steigenden Hunger nach Gedanken-, Meinungs-, und Informationsfreiheit weichen müssten. Deshalb löst die aktuelle Repression gegen iranische Journalisten und das Verbot fast der gesamten reformorientierten Presse auch im arabischen Raum großes Bangen aus.

Noch ist nicht klar, ob es den Teheraner Theokraten tatsächlich gelingen kann, den starken Drang nach Meinungsfreiheit im Reiche Chomenis wieder vollends zu unterdrücken. Fest steht jedoch, dass ungeachtet der beängstigenden Welle der Repression, die den "Gottesstaat" erneut zu überspülen droht, die Iraner immer noch ein größeres Maß an Gedankenfreiheit genießen, als ihre arabischen Brüder.

Gleich jenseits der westlichen Grenze der "Islamischen Republik" setzt Saddam Hussein, Iraks skrupelloser Überlebenskünstler, ein Beispiel des Terrors über ein ganzes Volk, das selbst in dieser arabischen Welt der Diktatoren seinesgleichen sucht. Wie die Militärregime Libyens und Syriens betrachtet das irakische Presse, Rundfunk und Fernsehen als exklusiven Besitz des Staates. Während Journalisten, die es wagen, aus der Reihe zu tanzen, in Syrien und Libyen Gefängnis droht, riskieren sie im Irak ihr Leben.

Nach den Vorstellungen Saddams haben die Medien ausschließlich als Propagandainstrument des Regimes zudienen. Ein einziges, vom Staat kontrolliertes Unternehmen besitzt alle Zeitungen, die durch ein von Uday Hussein, dem ältesten Sohn des Diktators, geleitetes Komitee strikt kontrolliert werden. Der gefürchtete Uday ist auch für Rundfunk und Fernsehen verantwortlich. Alle Journalisten werden direkt vom Informationsministerium ernannt. In der seit drei Jahrzehnten herrschenden Atmosphäre des Staatsterrors wagt niemand, seine Meinung zu äußern. Als drohendes Beispiel dient das Schicksal von Aziz al-Syed Jasims, Chefredakteurs von "Al Qadissiya", der sich geweigert hatte, eine Saddam lobpreisende Biografie zu schreiben. Im April 1991 wurde er in ein geheimes Gefangenenlager verschleppt. Seither fehlt von ihm jede Spur.

Die erstaunliche Überlebenskunst zahlreicher arabischer Regime, vom Golf bis in den Maghreb, lässt sich zu einem wesentlichen Teil durch deren rigorose Kontrolle der Medien erklären. In ihrem alles überragenden Wunsch zu herrschen, zwingen diverse arabische Führer ihren Ländern immer neue, immer restriktivere Pressegesetze auf, selbst wenn außenpolitische Erwägungen Lippenbekenntnisse zu Demokratie und Meinungsfreiheit zweckmäßig erscheinen lassen.

Im Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der UN-Menschenrechte vom Dezember 1948 heißt es: "Jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht umfasst die Freiheit, Meinungen unangefochten zu vertreten sowie Informationen und Ideen mit allen Kommunikationsmitteln ohne Rücksicht auf Grenzen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten." Am 3. Mai 1990 beging die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen zum ersten Mal den "Internationalen Tag der Pressefreiheit". Er wurde 1994 von den Vereinten Nationen offiziell anerkannt. Am morgigen 3. Mai wird zum zehnten Mal der Tag der Pressefreiheit begangen.