taz Hamburg Nr. 6133 vom 4.5.2000 Seite 21 Abschiebers Herz für Ausländer Green Card: Bedarf an Computerspezialisten in Hamburg auf 5000 geschätzt. Kammer: Jeder wird gebraucht Von Sven-Michael Veit und Sandra Wilsdorf Hamburgs Ausländerbehörde zeigt sich von ihrer großherzigen Seite: "An uns soll das nicht scheitern", kommentiert Sprecher Norbert Smekal die Berliner Konsensgespräche über die Green Card. Nach der zwischen Bundesregierung und Wirtschaft gestern erzielten Einigung dürfen ab 1. August bis zu 20.000 Computer-Spezialis-ten aus Nicht-EU-Staaten nach Deutschland kommen (ausführliche Berichte Seite 4). Und etliche von ihnen plus Familie werden nach Hamburg kommen. Für die Ausländerbehörde bedeutet das "Mehrarbeit in noch unbekanntem Umfang", prognostiziert Smekal, "denn wir müssen das letztlich umsetzen". Eventuell würden dafür auch zusätzliche SachbearbeiterInnen benötigt: "Wir prüfen das zur Zeit." Solange aber noch unklar ist, um wieviele Menschen es sich handeln dürfte, können "wir keine konkreten Zahlen nennen". "Der Bedarf ist hoch", schätzt Bernd Meyer, Sprecher von Wirtschaftssenator Thomas Mirow (SPD), die Lage in der selbsternannten deutschen Multimedia-Hauptstadt Hamburg ein. In Verbindung mit "einer Qualifizierungsoffensive für deutsche Arbeitnehmer" erwartet Mirow dadurch "auch mehr deutsche Jobs". Insgesamt sei die Green Card also "gut und sinnvoll". Das Arbeitsamt Hamburg forstet bereits seit längerem eine Kartei von 2500 Bewerbern danach durch, ob sie mit einer Weiterbildung für den neuen Markt passend gemacht werden können, erläutert dessen Sprecher Manfred Klostermann: "Schon seit längerem sind 20 Prozent unserer Bildungsangebote aus dem IT-Bereich." Aber es sei keine Frage, ob entweder ausländische Fachkräfte eingeladen oder aber deutsche weitergebildet werden sollen: "Wahrscheinlich ist beides nötig." Hubert Grimm, bei der Handelskammer für Berufsbildung zuständig, begrüßt die Green-Card-Initiative, "aber sie wird nicht reichen, den Bedarf zu decken". Dazu bräuchte man eine breit angelegte Initiative für mehr Ausbildung in IT-Berufen. "Wenn alle, inklusive dem öffentlichen Dienst, mitziehen, könnten wir in Hamburg jedes Jahr 1000 junge Leute in diesen Berufen ausbilden." Zur Zeit sind es 300. Den Bedarf, den Hamburger Unternehmen an IT-Fachleuten haben, kann Grimm nicht genau beziffern: "Aber jeder, der kommt, wird gebraucht. Und die Zahl der Stellen wächst mit dem Angebot." Im November vorigen Jahres hatte eine Umfrage der Handelskammer bei IT-Unternehmen einen "ungedeckten Fachkräftebedarf der Branche von über 6000 Stellen" ergeben. Eine Größenordnung, die Susanne Nöbbe vom Hamburger newmedia§work in etwa bestätigen kann: "Wir gehen von einem Bedarf von rund 5000 Stellen aus." Konfliktpotential bei der Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für all diese Menschen sieht die Ausländerbehörde nicht. Natürlich könne es vorkommen, räumt Smekal ein, dass ein türkischer IT-Spezialist mit Familie in Hamburg gutes Geld verdienen darf, kurdische Sozialhilfeempfängerinnen aber weiterhin an den Bosporus abgeschoben werden. Das gehe alles nach Recht und Gesetz, differenziert Smekal feinsinnig: "Den einen laden wir als Gast ein, und die anderen sind illegal hier und müssen eben zurück." |