Sindelfinger, Böblinger Zeitung, 4.5.2000 Kurdin sorgt sich um ihre Familie Böblingen: Das Leben von Feride Akdag hat sich verändert, seit ihr Mann und ihr kleiner Junge in die Türkei abgeschoben wurden Von unserem Redaktionsmitglied Sonja Henning "Ich kann nachts nicht schlafen, ich weine jeden Tag. Das ist kein Leben für mich", sagt Feride Akdag. Seit 26. Februar sorgt sich die Kurdin um ihren Mann und ihren zwei-jährigen Sohn Mehmet, die an diesem Tag von Böblingen in die Türkei abgeschoben wurden (wir berichteten). Die vier-köpfige Familie ist seit Ende Februar auseinander gerisssen. Als die Polizei in die Böblinger Asylunterkunft in die Sindelfinger Allee kam, flüchtete der elfjährige Sohn Hüseyin. Vater Salman und den zwei-jährigen Mehmet schoben die Behörden in die Türkei ab. Mutter Feride Akdag sollte solange in Böblingen bleiben, bis Hüseyin wieder auftaucht. Doch der Junge ist bis heute verschwunden. "Ich weiß nicht, wo er ist", sagt seine Mutter. Auch der Kontakt zu ihrem Mann Salman ist schwierig vor drei Wochen hat sie zuletzt mit ihm telefoniert. "Ich weiß nicht, wovon er lebt", sagt sie niedergeschlagen. Der 36-Jährige wohnt bei einem Freund in Istanbul. Zurück in sein Dorf kann er nicht. Seine Mutter Ayse Akdag fürchtet um sein Sicherheit: "Wir haben Angst, dass Salman wieder nach Besni kommt", schreibt sie. In dem Brief ist davon die Rede, dass die Einwohner des Dorfes vom türkischen Militär unterdrückt werden. Den Kurden ist es in der Türkei nicht erlaubt, ihre Sprache zu sprechen, ihre Kultur zu leben. Auch Salman Akdag hat die Staatsgewalt schon früher zu spüren bekommen, wurde im Gefängnis geschlagen. Die Übergriffe waren vor acht Jahren für ihn der Grund, nach Deutschland zu gehen. 25 Tage in Istanbul inhaftiert Seine Sicherheit war bei der unfreiwilligen Rückkehr im Februar offenbar nicht gewährleistet: 25 Tage war Salman Akdag nach Angaben seiner Mutter in Istanbul inhaftiert. Eva Höfler-Haidle vom "Initativkreis für Völkerfreundschaft gegen Abschiebung" hat genau das befürchtet: "Die Behörden sagen immer, die Kurden sollen in den Westen der Türkei gehen. Aber sie werden dort nicht in Ruhe gelassen." Der zweijährige Mehmet ist nicht bei seinem Vater in Istanbul. Er lebt bei der Mutter von Feride Akdag in einem kurdischen Dorf. "Der Kleine weint nach mir", weiß die verzweifelte Kurdin nach Telefon-Gesprächen, deren Familie sich von einem Tag auf den anderen in alle Himmelsrichtungen verstreut hat. Sie ist fassungslos: "In Deutschland gibt es Rechte, deshalb verstehe ich nicht, warum man mir meinen zweijährigen Sohn weggenommen hat." Zu der Sorge um ihren Mann und ihre Kinder gesellt sich bei ihr seit einigen Tagen nun auch die Angst vor der eigenen Abschiebung. Feride Akdag sitzt in Böblingen auf gepackten Koffern. Ihre Duldung wurde vom Böblinger Ausländeramt nicht mehr verlängert. Sie erhielt am 18. April eine Grenzübertrittsbescheinigung. Eilantrag bei Gericht gestellt Darin heißt es, dass sie und ihr Sohn Hüseyin verpflichtet sind, bis 16. Mai die Bundesrepublik zu verlassen. Ihr Rechtsanwalt hat inzwischen mit einem Eilantrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht in Stuttgart reagiert. Bis das Gericht entschieden hat, ist die Abschiebung aufgeschoben, sagt Dagmar Leibig, Sprecherin der Stadt Böblingen. Wann die Richter entscheiden, weiß Dagmar Leibig nicht. Der Sindelfinger "Initiativkreis gegen Abschiebung" empfindet es als "gesetzwidrig", dass bei der Abschiebung im Februar die Familie getrennt wurde, so Eva Höfler-Haidle. Sie sorgt sich im Fall einer Abschiebung in die Türkei um Feride Akdag: "Man weiß auch, was mit Frauen dort gemacht wird." "Unbefristetes Einreiseverbot" Die Chancen, dass die Familie auf deutschem Boden wieder vereint wird, stehen nicht gut. Das Asylverfahren der Familie Akdag ist rechtskräftig abgelehnt, so Marion Schaible, Leiterin des Ausländeramtes Böblingen. Die Abschiebung hatte zur Folge, dass für Salman Akdag und seinen zweijährigen Sohn laut Schaible ein "unbefristetes Einreiseverbot" bestehe. "Sie hatten die Möglichkeit freiwillig auszureisen. Irgendwann muss eine Entscheidung getroffen werden", sagt Marion Schaible. Der Initiativkreis setzt sich weiter für die kurdische Familie ein. Am Donnerstag, 25. Mai, wollen sie gesammelte Unterschriften für ein Bleiberecht im Innenministerium in Stuttgart abgeben. Am Dienstag. 16. Mai, wird der Ablauf für die Übergabe um 17 Uhr im Jugendhaus Süd in Sindelfingen besprochen. Außerdem will der Unterstützerkreis im Landtag eine Petition einreichen. |