Kölner Stadtanzeiger, 5.5.2000 Der Waffenhandel fühlt sich bedroht Soll Deutschland noch Rüstung exportieren? - Ein Streitgespräch in Köln Von Nikolaus von Twickel Waffenexporte sind ein heikles Thema in Deutschland. Die deutsche Rüstungsindustrie ist der fünftgrößte Exporteur weltweit und will gerne weiter exportieren. Seit dem die rot-grüne Koalition aber über den (nun aufgeschobenen) Wunsch der Türkei nach deutschen Leopard-Panzern fast in die Existenzkrise geriet, stehen die Zeichen auf Sturm. Unter dem Titel "Waffen für die Welt?" stellte sich Wolf-Dietrich Hausmann, Manager bei ThyssenKrupp Industries kürzlich auf dem Podium der evangelischen Gemeinde Köln-Dellbrück seinen Kritikern: Mathias John von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International sowie Angelika Beer, Verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion. "Was denken Sie, wenn Sie sehen, dass in einem Land mit ihren Produkten unschuldige Menschen getötet werden?", so die provokante Frage des Diskussionsleiters, WDR-Redakteur Arnd Henze. Hausmann antwortete noch provokanter: "Ich liefere nur das Produkt; was der Kunde damit anstellt, ist nicht meine Sache." Und: "Wenn ich es nicht liefere, tut's ein anderer." Das war eine Steilvorlage für Amnesty-Funktionär John, der forderte, dass die Industrie mehr Verantwortung übernimmt. Hausmann bekräftigte daraufhin, dass man das "Primat der Politik" in jedem Fall beachten werde - "ob es uns passt oder nicht". Für John Anlass, sich mit Angelika Beer zu streiten. "Die Bundesregierung muss Rüstungsexporte mit einer verbindlichen Menschenrechtsklausel gesetzlich regeln", forderte er. Beer verwies auf die neue restriktivere Richtlinie für Rüstungsexporte, die das rot-grüne Kabinett im Januar verabschiedet hat. "Eine Selbstverpflichtung, an der der Fortbestand der Koalition hängt" betonte sie. "Kein Gesetz, und damit nicht verbindlich" beklagte John. Beer räumte ein, dass nicht nur etliche Verträge der Kohl-Regierung eingehalten werden müssten - etwa die Lizenzproduktion deutscher Gewehre in der Türkei - sondern, dass die Regierung weiter die alte "Genscher-Doktrin" ("Alles, was schwimmt und fliegt, läuft") anwende: Kaum Einschränkungen bei Booten und Flugzeugen. Eine Tatsache, die Thyssen freuen muss, da die Firma seit dem Verkauf von Henschel vor zwei Jahren "im Rüstungssektor nur noch Wasserfahrzeuge baut". Laut Hausmann hängt Thyssen jedoch längst nicht an diesem Bereich ("nur fünf bis acht Prozent unseres Umsatzes"): "Wenn die Politik ihn austrocknet, dann machen wir ihn halt zu." Bedroht sei vielmehr die ganze Rüstungsindustrie, die im heimischen Markt keine ausreichenden Absatzchancen habe. "Wenn die Politik Streitkräfte will, braucht sie eine unabhängige Rüstungsindustrie." Das Argument Beers, ein gemeinsamer europäischer Markt sei groß genug, um ohne Exporte nach außerhalb zu leben, wies Hausmann ab: "Diese schönen Worte werden an der Realpolitik scheitern". |