Süddeutsche Zeitung, 5.5.2000 Pariser Parlament für Ausländer-Wahlrecht Von Gerd Kröncke Paris - Überraschend hat die französische Nationalversammlung am späten Mittwochabend in erster Lesung einen Gesetzentwurf verabschiedet, wonach künftig auch Ausländer, die nicht aus der Europäischen Union stammen, bei Kommunalwahlen mitstimmen dürfen. Damit hat eine Initiative des Grünen-Abgeordneten Noël Mamère die erste Hürde genommen. Die linke Regierungsmehrheit hatte dafür gestimmt, die Bürgerlichen sind geschlossen dagegen. Gleichwohl stehen die Chancen schlecht, dass das Gesetz, wenn überhaupt, noch vor den Rathaus-Wahlen im kommenden Jahr endgültig verabschiedet werden könnte. Spätestens im französischen Senat, in dem die Linke in der Minderheit ist, dürfte das Gesetz scheitern. Auch ist es kein Geheimnis, dass Regierungschef Lionel Jospin skeptisch gegenüber dem Projekt ist. Er hält die Zeit für noch nicht gekommen. Ohnehin hatten die Grünen, Juniorpart ner in der Koalition, schon einige Kompromisse hinnehmen müssen. Demnach sollen Ausländer zwar das aktive Wahlrecht in den Kommunen erhalten, nicht aber als Bürgermeister oder Stellvertreter gewählt werden können. Noël Mamère freut sich dennoch über seinen Etappensieg: "Eines ist sicher, es wird nicht noch einmal zwanzig Jahre dauern. Bereits vor zwanzig Jahren war François Mitterrand während des Präsidentschaftswahlkampfs für das Ausländer-Wahlrecht eingetreten - wohl wissend, dass es nie eine Chance dafür gab, wie die bürgerliche Rechte noch heute argumentiert. Nach Meinung des Fraktionschefs der Gaullisten, Jean-Louis Debré, versucht die linke Regierungsmehrheit, wie Mitterrand die Wählerschaft der Rechten aufzusplittern. Die Ausländer-Diskussion hatte Anfang der achtziger Jahre zur Stärkung der rechtsextremen Nationalen Front beigetragen, die durch ihren Wählerzulauf die bürgerliche Rechte schwächte. Der gaullistische Präsident des Senats, Christian Poncelet, vermutet, dass die Regierung Jospin das Gesetz nur unterstützt habe, um später sagen zu können: "Wir waren dafür, aber der Senat ist reaktionär." Selbst bei den prinzipiellen Befürwortern auf der Linken ist die Initiative nicht unumstritten. Das Thema sei zu ernst, sagt Malek Boutih, Vorsitzender von SOS-Racisme, für "ein politisches Spiel auf dem Rücken der Ausländer". Unter Sozialisten gibt es zudem Zweifel, ob das Gesetz verfassungskonform ist. Und selbst wenn es eine Mehrheit im Senat fände, würde Präsident Jacques Chirac kaum ein Referendum einberufen. |