Hamburger Abendblatt, 9.5.2000 Mildes Urteil gegen Kurden Besetzer der SPD-Zentrale sollen sich mit dem Opfer treffen und sozial arbeiten Die zehn Angeklagten schauten erleichtert, beeilten sich - beraten von Verteidigern beziehungsweise gesetzlichen Vertretern -, das milde Urteil anzunehmen: Im Prozess um die Besetzung der SPD-Parteizentrale wegen der Festnahme des PKK-Führers Öcalan hat das Landgericht die "erzieherische Maßnahme" verhängt, "sich um einen Ausgleich mit dem Verletzten zu bemühen." Bei der Besetzung am 17. Februar 1999 war der SPD-Kreisgeschäftsführer Dirk Sielmann stundenlang festgehalten worden. Die Entscheidung bedeutet im Klartext: Die Angeklagten - verurteilt wegen Freiheitsberaubung, schwerem Hausfriedensbruch und versuchter Nötigung - bekamen keine Jugendstrafe, sondern müssen jeweils zehn bis zwölf Arbeitsauflagen im sozialen Bereich ableisten. Denkbar ist, dass sie etwa einen Park harken, im Altenheim helfen. Das so erarbeitete Geld (rund 12 000 Mark) soll Sielmann zugute kommen. Die fünf Jugendlichen und fünf Heranwachsenden im Alter zwischen 16 und 21 Jahren sollen sich konkret im so genannten "Täteropferausgleich" mit ihren Taten auseinander setzen - mit Hilfe der Jugendgerichtshilfe. In einem "beaufsichtigten Gespräch" sollen sie mit dem Opfer ihre Taten besprechen, ihm so Genugtuung verschaffen. Gegen einen weiteren elften Angeklagten wurde das Verfahren abgetrennt. Gegen ihn wird weiter verhandelt, weil er Tage nach der Besetzung nach einer Kurden-Demo einen Linienbus kaperte. Eine Geiselnahme in der SPD-Zentrale durch die Angeklagten "konnte nicht festgestellt werden", so der Vorsitzende Richter, es sei indes Freiheitsberaubung. Dass sie diejenigen waren, die Sielmann aus dem Fenster hielten, sein Leben bedrohten, sei nicht bewiesen. Die Besetzung "war eine Spontantat, die politisch motiviert war". Auch die Sachbeschädigungen in der SPD-Zentrale seien den Angeklagten nicht zuzurechnen. Einige Angeklagte hätten sich während der Besetzung bei Sielmann für ihr Tun entschuldigt - das werteten die Richter mildernd. Auch Sielmann sei mit dem Täteropferausgleich einverstanden, zum Gespräch mit den Tätern bereit. Eine Jugendstrafe komme nicht in Betracht, da bei den Angeklagten - bis auf einen alle strafrechtlich bisher nicht auffällig - weder "schädliche Neigungen" noch die "Schwere der Schuld" vorlägen. 1999 waren wegen der Besetzung der SPD-Zentrale ein Rädelsführer zu zwei Jahren und neun Monaten Haft, weitere PKK-Aktionisten zu Bewährungsstrafen verurteilt worden. (neh) |