junge Welt, 10.05.2000

Interview
Existiert in Deutschland Apartheid?

junge Welt sprach mit Gabriel Igbinosum

(Gabriel Igbinosun, Koordinator der Kampagne »Schluß mit der Apartheid in der deutschen Familienpolitik«, stammt aus Nigeria. Er lebt seit '93 in Roda in Thüringen. Seine Freundin lebt mit den zwei gemeinsamen Kindern in Hamburg)

F: Sie koordinieren eine Kampagne unter dem Titel »Schluß mit der Apartheid in der deutschen Familienpolitik«. Welche Ziele verfolgen Sie?

Die deutschen Behörden scheinen es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, binationale Verbindungen zu verhindern. Dazu nutzen sie alle Gesetze, die ihnen zur Verfügung stehen. Sie kooperieren mit den Behörden der Herkunftsländer, um die Abschiebung der Ehemänner und Väter in die Wege zu leiten. Sie lassen sich allerlei Schikanen einfallen, um Paare voneinander zu trennen und entscheiden im Zweifelsfall ganz sicher gegen die Familie. Vielleicht kann ich das an meinem Beispiel deutlich machen. Ich lebe seit '93 in Roda in Thüringen. Ich habe Asyl beantragt, mein Verfahren läuft noch, so daß für mich die Residenzpflicht gilt. Meine Freundin wohnt mit unseren zwei Kindern in Hamburg. Wir haben einen Antrag auf Familienzusammenführung gestellt, ich wollte nach Hamburg ziehen. Doch das wurde abgelehnt. Statt dessen bekam ich einmal im Monat Besuchsrecht. Das reichte uns aber nicht, also beschlossen wir zu heiraten. Im März '99 habe ich bei der nigerianischen Botschaft die dazu notwendigen Dokumente beantragt, sie aber bis heute nicht bekommen. Unser zweites Kind wurde vor zwei Wochen geboren. Meine Freundin macht eine Ausbildung, sie ist auf meine Unterstützung dringend angewiesen. Doch statt mir zu erlauben, nach Hamburg zu ziehen, haben die Behörden in Hamburg ihr jetzt eine Haushaltshilfe bewilligt. Das ist doch absurd.

F: Welche konkreten Forderungen stellen Sie also in der Kampagne?

Wir fordern die Gleichbehandlung mit deutschen Ehepaaren: Die Aufhebung der staatlich verordneten Trennung von unseren Frauen und Kindern.

F: Stichwort Trennung: Ist Ihnen der Gebrauch des Wortes »Apartheid« nicht schwergefallen?

Der Begriff der Apartheid beschreibt den Zustand der strikten Trennung und ein System von Sanktionen bei Zuwiderhandlung. Flüchtlinge leben in diesem Land in Unterkünften, weit weg von der Zivilisation, sie leben apart - getrennt. Sie werden gesetzlich dazu gezwungen. Und wenn sie gegen diese Gesetze verstoßen, werden sie eingesperrt oder ihnen wird die Abschiebung angedroht. Viele werden in die Herkunftsländer ausgeflogen, um sie von dieser Welt auszuschließen, abzutrennen. Manchen von ihnen kostet das das Leben. Andere werden bei dem Versuch, dieses Land zu erreichen, erschossen. Mehr Flüchtlinge sind in diesem Land an den Grenzen, in den Gefängnissen oder bei der Abschiebung ums Leben gekommen als bei rassistischen Übergriffen.

Ich lebe getrennt von meiner Frau und meinen Kindern. Und zwar, weil das staatlich verordnet wurde. Dieser Staat versucht, Väter abzuschieben und damit die Beziehung zu der Familie total zu unterbinden. Was ist das anderes als Apartheid?

F: Finden Sie Unterstützung?

Familie gilt in linken Kreisen als rückschrittlich. Deshalb wurde uns die Unterstützung verweigert. Aber wir bleiben bei unserer Kampagne und fordern die Solidarität der Flüchtlingsaktion »Karawane« ein. Viele von uns würden sicher nicht heiraten, wenn wir nicht von Abschiebung bedroht wären. Das ist für uns die einzige Möglichkeit, überhaupt hier leben zu können, mit viel Glück sogar zusammen. Aber mal abgesehen davon: Ob wir heiraten wollen oder nicht, darüber möchten wir selbst entscheiden und das wollen wir uns von niemandem und von keinem Staat vorschreiben lassen. Aber, wir kämpfen gegen die Gesetze, die das unmöglich machen, und nicht gegen die Menschen in diesem Land.

Interview: Birgit Gärtner