Süddeutsche Zeitung, 10.5.2000 Rau: Einbürgerung von Ausländern erleichtern Von Jonas Viering Berlin - Bundespräsident Johannes Rau hat sich dafür ausgesprochen, die Einbürgerung in Deutschland lebender Ausländer weiter zu erleichtern. Bei einem Empfang für kürzlich eingebürgerte, ehemalige Ausländer sagte Rau, er wünsche sich, dass noch "viele andere diesen Schritt gehen" und den deutschen Pass beantragen. "Ich wünschte mir, dass wir zu einem Staatsangehörigkeitsrecht kommen, bei dem nicht die Herkunft der Eltern entscheidend ist, sondern der Ort der Geburt." Rau sprach in Anwesenheit von Bundesinnenminster Otto Schily (SPD) und der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, Marie-Luise Beck (Grüne), eineinhalb Stunden lang mit den 27 Neubürgern. An den neben ihm sitzenden Schily gewandt fügte Rau hinzu, die seit Januar geltende "Mischung" von Geburtsrecht und Abstammungsrecht sei ein großer Fortschritt, "aber vielleicht kann man da noch etwas weiter mischen". Der Innenminister, dessen Ministerium bisher keine neuen Änderungen des Staatsbürgerschaftsrechts plant, reagierte nicht auf Raus Hinweis. Das seit Januar geltende Recht sieht die doppelte Staatsbürgerschaft nur als Ausnahme vor. Auf weitergehende Regelungen hatte die Koalition 1999 nach einer Unterschriftenaktion der CDU und dem folgenden CDU-Sieg in Hessen verzichtet. Die neuen Staatsbürger berichteten Rau von ihrer Situation als Menschen ausländischer Herkunft. "Ich bekomme in Deutschland leichter einen Pass als eine Arbeit", sagte Visnja Mustafa aus Hamburg. Ihre jugoslawische Ausbildung werde in Deutschland nicht anerkannt. Gönül Genc, die vor 20 Jahren als Siebenjährige aus der Türkei nach Deutschland kam und heute in der Nähe von Konstanz als Lehrerin arbeitet, forderte muslimischen Religionsunterricht in den Schulen. Souheila Eckermann aus Bremen hob hervor, dass sie in Deutschland anders als in ihrem Herkunftsland Iran keine Angst vor Verfolgung haben müsse. Der in Leipzig lebende Palästinenser Nidal Gazawi sagte, er sei in seinem Leben "länger hier im Ausland als zuhause gewesen, da war es Zeit, sich für das Bleiben zu entscheiden". In Deutschland leben etwa 7,4 Millionen Ausländer. Wie viele von ihnen sich seit Januar haben einbürgern lassen, ist noch nicht erfasst.
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