Frankfurter Rundschau, 11.5.2000 Am Rand des Rechtsstaats Zynisch wird beteuert, das verschärfte Asylverfahren am Flughafen sei zur Abschreckung nötig - Paranoia als Politikmotiv Von Ursula Rüßmann Es war fast nichts, was Rot-Grün Ende 1998 im Koalitionsvertrag versprochen hat: Das Flughafen-Asylverfahren, seit seiner Erfindung 1993 wegen extrem kurzer Verfahrensfristen und schäbiger Unterbringung hart kritisiert, sollte nur "im Licht der Verhältnismäßigkeit" überprüft werden. Doch nicht mal das ist seither eingelöst. Der Airport ist für Asylbewerber weiter das, was er bereits unter Kanther war: ein Internierungslager vor den Toren der Republik, am Rande des Rechtsstaats. Ein Ort, der Menschen krank macht und - wie anscheinend die Algerierin Naimah H. - in den Tod treibt. Kein Aushängeschild für die angeblich so weltoffene Berliner Republik. Doch die Chancen stehen schlecht, dass der erste Selbstmord im Transit daran etwas ändert. Bundesinnenminister Otto Schily und die Innenpolitiker der SPD äußern aufgeschreckt Bedauern über einen "tragischen Einzelfall" und zeigen zugleich kühl Stehvermögen. Zynisch wird beteuert, das verschärfte Asylverfahren am Flughafen sei zur Abschreckung nötig. Paranoia als Politikmotiv. Alternativen liegen auf dem Tisch. Die vernünftigste und angesichts überall - auch am Flughafen - sinkender Asylbewerberzahlen öffentlich auch vermittelbare wäre die von Grünen, PDS, Kirchen und Wohlfahrtsverbänden geforderte Abschaffung des Flughafenverfahrens. Die kleine Lösung wäre, gemessen am Status quo, auch schon ein großer Schritt: Schluss mit dem Vorbeimogeln am Ausländerrecht, stattdessen Einreise nach 19 Tagen, wie es dort geschrieben steht. Halten wir uns doch einfach ans Gesetz, Herr Schily.
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