Freitag, 12.5.2000 Kambiz Behbahani IRAN: Droht ein Bürgerkrieg? Nicht einmal Reza Khatami, der Bruder des Präsidenten Mohammed Khatami, wurde verschont. Auch seine Zeitung Moscharekat fiel der Zensur zum Opfer. Die Schließung sämtlicher reformorientierter Zeitungen in Iran war von langer Hand geplant. Die Konservativen erhoffen sich davon vor allem, bevorstehende Enthüllungen über eine Mordserie an knapp 80 oppositionellen Politikern und Journalisten verhindern zu können. Inzwischen gehen die Spekulationen sogar soweit, dass auch der im März 1994 unter mysteriösen Umständen verstorbene Sohn des Revolutionsführers Ayatollah Khomeini, Ahmad Khomeini, einem Anschlag des Geheimdienstes zum Opfer gefallen sein soll. Während der Klub der reformerischen Freidenker, zu dem unter anderem der ehemalige Innenminister Abdallah Nuri gehört, im berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis mit der Verhaftung des berühmtesten Enthüllungsjournalisten Irans, Akbar Gandschi, weiter anwuchs, durften acht unter Mordverdacht stehende Geheimdienstler den ungastlichen Ort postwendend verlassen. Dafür wurden acht andere Schlapphüte verhaftet. Sie sollen ihre Kollegen gefoltert haben. Doch die Aufklärung geht weiter. Erst kürzlich spielten einige Liberale der Presse einen Bericht über angebliche Krisensitzungen konservativer Politiker aus den Führungsetagen von Revolutionswächtern, Polizei und Fernsehen zu. Dabei sollen Szenarien eines stillen Putsches gegen Khatami erörtert worden sein, die den jüngsten Vorgängen auffallend gleichen: Schließung der aufrührerischen Presse, Verhaftung liberaler Reformer und ihre Diskreditierung als "Agenten Amerikas"; danach Einschüchterung der Bevölkerung und Schüren eines Konfliktes zwischen Khamene'i und Khatami, der schließlich zur Absetzung des gewählten Präsidenten führt. Schon sprechen Beobachter in Teheran davon, dass die erste Phase dieses "hinterhältigen Putsches" längst begonnen habe. Mit der Ausschaltung liberaler Zeitungen und Zeitschriften büßte Khatami die wichtigste Verbindung zu seinen Wählern und Unterstützern ein. Doch selbst wenn die gesamte Presse im Land gleichgeschaltet wird: Ein solcher Zustand politischer Unmündigkeit kann nur von begrenzter Dauer sein. Und das nicht nur, weil sich die Bevölkerung seit dem Verbot der Reformpresse verstärkt über ausländische Rundfunksender informiert. Spätestens auf der ersten Sitzung des neugewählten Parlaments am 27. Mai können die Reformer wieder direkt mit dem Volk kommunizieren, weil laut Verfassung der Rundfunk die Parlamentssitzungen direkt übertragen muss. Vorausgesetzt freilich, die Zusammensetzung des Parlaments fällt bis dahin nicht einer "Wahlprüfung" des Wächterrates zum Opfer. Damit wäre der Putsch dann in seiner zweiten, entscheidenden Phase: der offenen Konfrontation, die sehr schnell in einen blutigen Bürgerkrieg übergehen könnte.
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