Wiesbadener Kurier, 12.5.2000 Nazi-Vergleich "ist beleidigend Ausschuss debattierte über Hildebrandt-Äußerung und Abschiebe-Versuch WIESBADEN (hol) In einem Punkt waren sich alle einig: Die Ausländerbehörde und ihre Beschäftigten haben mit rechtsstaatlichen Methoden und nach rechtsstaatlichen Kriterien gehandelt. "Jeder Vergleich mit Methoden des Nazi-Regimes ist unangebracht und beleidigend. Zwei Stunden befasste sich der Ausschuss für Bürgerbeteiligung und Völkerverständigung mit der kurdischen Familie Akyüz, vor allem aber mit einer umstrittenen Aussage des Kabarettisten Dieter Hildebrandt in der "Scheibenwischer"-Sendung vom 12. April. Hildebrandt hatte gefragt, ob die Verantwortlichen in Wiesbaden nicht noch "nachträglich in die SS eintreten wollen." Diskussionen gab es vor allem darüber, ob es Sinn macht, gerichtlich gegen ihn oder den Sender Freies Berlin (SFB) vorzugehen. Der Kabarettist hatte auch gesagt, die Ausländerbehörde habe einen Mann in die Türkei zurückgeschickt, der schon zweimal "halbtot" der Folter entkommen sei. Der CDU-Stadtverordnete und Jurist Bernhard Lorenz interpretiert dies als falsche Tatsachenbehauptung, gegen die man eine Gegendarstellung erwägen sollte. Seine Begründung: Alle Gerichte und das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hätten eine entsprechende Aussage des Kurden Abdulcabbar Akyüz für unglaubwürdig erklärt. Alle Asylanträge der Familie waren in mehr als 30 Verfahren abgelehnt worden. Der Ausschuss beschloss mit rot-grüner Mehrheit, dass es nicht Sache der Stadt sei, den Inhalt satirischer Sendungen zu kommentieren, zumal "die satirische Überspitzung von politischen Vorgängen von der Meinungs- und Kunstfreiheit des Grundgesetzes geschützt wird." Peter Skubella und Rolf Praml (beide SPD) warnten davor, "dass wir uns lächerlich machen." Lorenz und die CDU sehen die Ehre der Mitarbeiter nur wieder hergestellt, wenn Hildebrandts Darstellung vor einem ebenso großen Publikum richtiggestellt würde. Ebenfalls mit den Stimmen von SPD und Grünen bittet der Ausschuss Diehl, zu begründen, warum die Behörde der Auffassung war, Akyüz und seine Familie abschieben zu müssen. Die bereits einmal gescheiterte Abschiebung soll nach dem Willen des Ausschusses ausgesetzt werden, bis über eine Verfassungsbeschwerde entschieden wurde. Mitglieder des Flüchtlingsrats waren ebenso im Rathaus wie Mitarbeiter der Ausländerbehörde und ihr Chef Winnrich Tischel. Er berichtete, dass er wenige Tage nach der "Scheibenwischer-Sendung" Briefe aus ganz Deutschland bekommen habe, in denen er übel beschimpft worden sei. "Sogar mit Adolf Eichmann hat man mich verglichen", sagte Tischel, der nochmals darlegte, "dass wir, wenn es keine Abschiebehindernisse gibt, keine andere Möglichkeit haben, als abzuschieben. Oberbürgermeister Diehl hat einen Brief an den SFB-Intendanten Horst Schättle geschrieben, in dem er um Klarstellung bittet. Diehl beschreibt, welche Folgen die Sendung gehabt habe und warnt vor einer Spirale, die dazu führen könnte, dass Mitarbeiter zu "Freiwild" würden. Tischel kritisierte, dass der Flüchtlingsrat einen falschen Eindruck erwecke, wenn er beispielsweise Schüler der Leibnizschule zitiere, die "nicht in einem Land leben wollten", in denen Menschen wie die Familie Akyüz nicht geschützt würden. Nach seinen Informationen habe eine Lehrerin die Schüler dazu gebracht, eine vorformulierte Erklärung zu unterschreiben Ausschussvorsitzende Dr. Helga Brenneis (Grüne) und Peter Skubella (SPD) wollten näheres über die Umstände der gescheiterten Abschiebung wissen. 40 bis 50 Polizisten waren um 4.30 Uhr in die Unterkunft der Familie eingedrungen. Auch die Wohnungen von Nachbarn seien durchsucht worden. "Alles rechtens", sagte Tischel: "Wir hatten richterliche Durchsuchungsbeschlüsse."
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