web de 15.05.2000 18:39 Koalitionsstreit um Gebietskonzessionen an Palästinenser Barak verteidigt überraschenden Schritt - Abstimmung in der Knesset - Schwere Zusammenstöße im Westjordanland Jerusalem (AP) Die israelische Regierung hat am Montag überraschend der Übergabe dreier Jerusalemer Vororte an die Palästinenser zugestimmt und damit eine Koalitionskrise ausgelöst. Gegen den Vorschlag von Ministerpräsident Ehud Barak waren die sechs Minister der Nationalen Religionspartei (NRP), der ultraorthodoxen Schas-Partei und der Einwandererpartei Israel B'Alija. Die NRP kündigte nach der Abstimmungsniederlage ihren Austritt aus der aus insgesamt sechs Parteien bestehenden Regierungskoalition an. Schwere Feuergefechte zwischen israelischen Soldaten und palästinensischen Polizisten forderten unterdessen im Westjordanland mindestens zwei Todesopfer und Hunderte Verletzte. Barak setzte die Abstimmung über die Übergabe der drei Orte nach monatelangem Zögern unerwartet an. Bislang hatte er die Gebietskonzessionen von Zugeständnissen der Palästinenser bei der geforderten Übergabe anderer Orte abhängig gemacht. 15 Minister sprachen sich für die Übergabe der drei Jerusalemer Vororte aus, sechs stimmten dagegen. Barak wollte sich am Montagabend einer Abstimmung im Parlament stellen, die er als Vertrauensabstimmung bezeichnete. Vor der Knesset verteidigte Barak die geplante Übergabe der Ortschaften. Israel sei durch bestehende Verträge dazu verpflichtet, darüber hinaus stärke der Schritt die israelische Kontrolle über Jerusalem. Das Land müsse einen Preis für einen Friedensvertrag zahlen. Die Alternative sei «ein binationaler Staat, Apartheid und Blutvergießen», sagte Barak. In Kabinettskreisen wurden Vermutungen laut, dass Baraks Vorgehen in Zusammenhang mit geheimen Friedensverhandlungen in Stockholm stehe. Der palästinensische Chefunterhändler Jassir Abed Rabbo, der an den Gesprächen in Stockholm nicht beteiligt ist, reichte Präsident Jassir Arafat am Montag sein Rücktrittsschreiben ein. Zur Begründung sagte er, Israel versuche, mit den Geheimgesprächen einen Keil zwischen die Palästinenser zu treiben. In Ramallah schleuderten rund 400 palästinensische Demonstranten Steine auf israelische Soldaten, die ihrerseits zunächst Gummigeschosse und Tränengas einsetzten. Mehrere Stunden später setzten Soldaten und palästinensische Polizisten, die sich unter die Demonstranten mischten, auch scharfe Munition ein. Ein Polizist wurde getötet, drei Zivilisten verletzt. Auch ein Hotel geriet unter Beschuss, Dutzende Gäste mussten in der Lobby Deckung suchen. In Nablus wurde nach Krankenhausangaben ein 18-jähriger Demonstrant getötet. Barak sprach von insgesamt mindestens vier getöteten Palästinensern. Diese Angabe wurde von palästinensischer Seite zunächst nicht bestätigt. Bei weiteren Zusammenstößen im Westjordanland und dem Gazastreifen wurden am 52. Jahrestag der israelischen Staatsgründung nach Angaben palästinensischer Krankenhauskreise mindestens 268 Palästinenser verletzt, zahlreiche weitere wurden ambulant behandelt. 14 israelische Soldaten wurden ebenfalls verletzt. Auch in Hebron, Dschenin und Bethlehem kam es am Montag wieder zu Zusammenstößen. Am Sonntag waren bei Straßenschlachten ein Palästinenser getötet und 38 weitere verletzt worden. Die Demonstranten fordern die Freilassung Hunderter Gefangener aus israelischer Haft. Der palästinensische Geheimdienst nahm nach Angaben aus Sicherheitskreisen den Hamas-Führer Mohammed Deif fest, der von Israel wegen mehrerer Terroranschläge gesucht wird. Der israelische Armeerundfunk meldete, Deif sei vor einigen Tagen im Gazastreifen festgenommen worden.
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