Die Zeit online, 15. Mai 2000 - 18.20 Uhr WEU soll in drei Jahren aufgelöst sein - Scharping sichert Türkei Mitsprache in EU-Militärfragen zu Die einzige europäische Verteidigungsorganisation - die Westeuropäische Union (WEU) - soll spätestens in drei Jahren aufgelöst sein. Ein Sprecher der amtierenden portugiesischen Präsidentschaft stellte beim Ministertreffen der 28 WEU-Länder am Montag in Porto die "Beerdigung" für das Jahr 2003 in Aussicht. Allerdings müsse die Europäische Union (EU) bis dahin wie geplant für eigenständige Kriseneinsätze gerüstet sein. Der deutsche Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) wollte sich nicht auf ein Enddatum für die WEU festlegen. Vor ihrer Auflösung müsse zudem eine neue Form für die in den WEU-Verträgen enthaltene Beistandspflicht gefunden werden. Der Türkei und anderen Nicht-EU-Staaten sagte Scharping volle Mitsprache bei der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu. Der Sprecher der portugiesischen Präsidentschaft wies darauf hin, dass vor dem Ende der WEU noch eine Reihe von Problemen gelöst werden müssten. Daher sei es "vielleicht besser, die Beerdigung nicht vor 2003 anzusetzen". Zu den offenen Fragen gehöre die Übertragung der militärischen Aufgaben der WEU auf die neuen sicherheitspolitischen Gremien und die künftige Krisenreaktionstruppe der EU. Die Union will bis zum Jahr 2003 in der Lage sein, kurzfristig rund 50.000 Mann für Kriseneinsätze wie im Kosovo mobilisieren zu können. Damit hätte die WEU, der in ihrer über 50-jährigen Geschichte nie eine wirkliche Aufgabe zukam, endgültig ihre Funktion verloren. Frankreich, das ab Juli die Präsidentschaft sowohl in der EU als auch der WEU übernimmt, will die Organisation deutlich vor 2003 auflösen. Scharping wies zudem auf das Problem der Beistandspflicht hin: In den Gründungsverträgen der WEU hätten sich die Mitgliedstaaten zu gegenseitiger militärischer Hilfe im Angriffsfall verpflichtet. Wegen des Widerstands der neutralen Staaten wie Österreich oder Schweden werde diese Aufgabe aber nicht auf die EU übertragen werden können. Misstrauen gegen ein rasches Ende der WEU hegen zudem die Nicht-EU-Länder wie die Türkei, aber auch Norwegen oder die osteuropäischen Staaten Polen, Ungarn und Tschechien, die als assoziierte Mitglieder in die WEU eingebunden sind. Sie fürchten, künftig in europäischen Militärfragen ausgebootet zu werden. Der WEU gehören als Vollmitglieder Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Portugal und Spanien an. Insgesamt 18 weitere Staaten nehmen als assoziierte Mitglieder, Partner beziehungsweise Beobachter an dem Treffen in der portugiesischen Stadt teil.
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