taz 18.5.2000 Flüchtlinge raus aus dem Transit Der Selbstmord einer Asylbewerberin hat die Berliner Politik aufgeschreckt. Jetzt machen Innenpolitiker aller Fraktionen Druck: Hessen soll die katastrophale Situation der Flüchtlinge im Frankfurter Flughafen ändern. Und zwar sofort von KARIN NINK Die Unterbringung von Asylbewerbern im Transitbereich des Frankfurter Flughafens muss sofort verbessert werden. Politiker und Politikerinnen aller Parteien im Innenausschuss des Bundestages einigten sich gestern auf eine fraktionsübergreifende Resolution, in der sie den hessischen Innenminister Volker Bouffier (CDU) auffordern, die Unterbringung so schnell wie möglich zu ändern. Aufgeschreckt durch den Selbstmord einer Asylbewerberin im Frankfurter Flughafen ließen sich die Innenpolitiker gestern von der Parlamentarischen Staatssekretärin von Bundesinnenminister Otto Schily, Cornelie Sonntag-Wolgast, Bericht erstatten. Dieser bestätigte, was Menschenrechtsgruppen seit Jahren anklagen: Die Menschen im Transitbereich des Flughafens sind auf engstem Raum zusammengepfercht. Männer und Frauen sind nicht voneinander getrennt, auch Familien haben keinen eigenen Bereich. Selbst bei hohen Außentemperaturen wie in vergangenen Tagen können die Fenster nicht geöffnet werden. Eine Klimaanlage gibt es nicht. Doch erst im Herbst 2001 soll es bessere Räume geben. Obwohl sie nach dem Gesetz maximal drei Wochen in den Internierungsräumen bleiben dürfen, leben manche Asylsuchende mehr als ein Jahr dort. Sie unterschreiben nach der gesetzlich abgelaufenen Frist eine Freiwilligenerklärung, um nicht in Abschiebehaft zu kommen. "Das geht nicht", empörte sich der ehemalige Justizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP). Der ansonsten eher ruhige Innenpolitiker war sauer. Seit fünf Jahren würde immer wieder vertröstet, doch nichts geschehe, egal wer in Hessen regiere, schimpfte der FDP-Mann. "Es ist wirklich an der Zeit, eine härtere Gangart einzulegen", sagte er später zur taz. Wenn der hessische Innenminister nicht in die Gänge komme, müsse Bundesinnenminister Schily Weisung erteilen. Das sei nach dem Grundgesetz möglich. "Wir können solche Zustände nicht hinnehmen", sagte auch der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, zur taz, machte aber auch deutlich, dass die SPD auf das Flughafenverfahren als solches nicht verzichten will. Auch der Innenpolitiker der CDU, Erwin Marschewski, ist der Meinung, dass eine Verbesserung der Unterbringungsmöglichkeiten erst im Herbst 2001 "zu spät" ist, und will deshalb selbst noch einmal mit seinen hessischen Parteifreunden sprechen. Er hält auch für "problematisch", dass Asylbewerber dort länger als drei Wochen untergebracht werden, lehnt aber ebenfalls ab, das Flughafenverfahren als solchen zu ändern. Auch die Grünen sind der Meinung, dass die Dauer des Aufenthaltes der "Kernpunkt des Problems" bleibt. Sie schlagen vor, dass die Flüchtlinge nach Ablauf der gesetzlichen Frist in ein Sammellager verlegt werden. Das Gesetz schreibe nicht vor, dass ein Asylbewerber automatisch in der Abschiebehaft landen muss. Abschiebehaft sei nur dann zwingend, wenn die Person illegal eingereist sei oder Fluchtgefahr bestünde.
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