Wiesbadener Kurier, 19.5.2000 "Ich muss mich vor die Mitarbeiter stellen Rechtsamt soll Formulierung für Strafanzeige finden/Doch Duldung für Familie Akyüz möglich? WIESBADEN (hol) "Hätte er mich persönlich angegriffen, hätte ich diesen Weg nicht bestritten", sagte Oberbürgermeister Hildebrand Diehl gestern dem KURIER. Er müsse sich aber vor seine Mitarbeiter stellen und deshalb werde er strafrechtlich gegen den Kabarettisten Dieter Hildebrandt vorgehen, der am 12. April in der "Scheibenwischer"-Sendung gefragt hatte, ob "diese Damen und Herren vielleicht nachträglich noch in die SS eintreten" wollten. Gemeint waren wie berichtet die Mitarbeiter der Ausländerbehörde und ihr Verhalten im Fall der kurdischen Familie Akyüz. Er gehe den Schritt auch, weil er bisher auf einen Brief an Horst Schättle, Intendant des Senders Freies Berlin (SFB), der "Scheibenwischer" ausstrahlt, keine Antwort erhalten habe, so Diehl. Und, weil Dieter Hildebrandt unter anderem im KURIER-Gespräch "noch einen drauf gesetzt" habe, als er gesagt hatte, wenn in Deutschland Menschen im Morgengrauen aus ihren Unterkünften geholt würden, erinnere ihn dies an "Gestapo-Methoden". Diehls Brief an Schättle wird von der SFB-Rechtsabteilung geprüft, sagte der Pressesprecher des Senders, Peter Kröger. Selbstverständlich sei der Sender für die Beiträge verantwortlich, "aber wir haben es hier mit Dieter Hildebrandt zu tun. Der macht seit 50 Jahren Kabarett und weiß, was er tut. Kröger weiß zwar noch, dass der Bayerische Rundfunk sich in den 80er Jahren mal bei "Scheibenwischer" ausgeklinkt hatte, an eine Reaktion wie die aus Wiesbaden "kann ich mich aber nicht erinnern." Die rot-grüne Mehrheit im Stadtparlament hatte beschlossen, es sei nicht ihre Aufgabe, den Inhalt satirischer Sendungen zu kommentieren, alle Fraktionen hatten der Ausländerbehörde rechtsstaatliches Vorgehen bescheinigt. SPD und Grüne bitten Diehl, die Abschiebung auszusetzen, bis über die Verfassungsbeschwerde des Akyüz-Anwalts Uwe Remus entschieden ist. Unabhängig vom Krach über das Hildebrandt-Zitat ging es im Stadtparlament noch mal darum, ob die Ausländerbehörde tatsächlich null Spielraum hat. Dr. Helga Brenneis (Grüne) nannte ein Beispiel aus Mainz. Eine Kurdin, die auch von Remus vertreten wird, war von türkischen Sicherheitskräften vergewaltigt worden. Ein Attest lag vor. Alle Asylanträge waren, wie bei Familie Akyüz, erfolglos geblieben. Auch zwei Mitglieder der Familie Akyüz haben gesagt, sie seien sexuell missbraucht worden. Die Ausländerbehörde gab im Mainzer Fall beim Gesundheitsamt ein Gutachten über den Zustand der Frau in Auftrag. Ergebnis: Sie ist schwer traumatisiert. Man erteilte ihr eine auf ein Jahr befristete Duldung. Uwe Remus: "Diese Möglichkeit hat Wiesbaden auch."
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