Kölner Stadtanzeiger, 19.5.2000 Grundsatzurteil beruft sich auf europäisches Abkommen Bundesgericht : Umzug ist auch für arme Flüchtlinge erlaubt Christian Rath Auch arme Flüchtlinge dürfen künftig das Bundesland wechseln: Das Bundesverwaltungsgericht hat am Donnerstag entschieden, dass anerkannte Flüchtlinge auch in ein anderes Bundesland ziehen können, ohne ihren Anspruch auf Sozialhilfe zu verlieren. Dieses Grundsatzurteil erstritten mehrere Kläger aus dem Irak gegen die Städte Gelsenkirchen und Hannover. Eine Regelung des Ausländergesetzes, die die "ausgewogene Verteilung von Sozialhilfelasten" bezweckt, ist auf anerkannte Flüchtlinge nicht anwendbar, urteilten die Berliner Richter. Nach ihrer Ankunft in Deutschland werden Flüchtlinge gleichmäßig auf die 16 Bundesländer verteilt und dürfen sich nicht aus ihrem Landkreis entfernen. Im Falle ihrer Anerkennung erhalten sie jedoch eine räumlich unbeschränkte Aufenthaltsbefugnis. Oft ziehen sie dann in andere Bundesländer, wo bereits Landsleute leben. Insbesondere Nordrhein-Westfalen ist ein beliebtes Zuzugsland. In den letzten Jahren hatten sich viele Kommunen geweigert, die Sozialhilfe an zugezogene Flüchtlinge auszuzahlen. Oft bekamen jene nur Geld für etwas Nahrung und eine Rückfahrkarte in das Bundesland, in dem sie zuerst untergebracht waren. Betroffen waren vor allem die rund 50.000 Flüchtlinge, die Abschiebeschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention genießen. Die Kommunen stützen sich bei dieser Praxis auf eine 1990 eingeführte Regelung des Ausländergesetzes. Diese ermöglicht es, die Sozialhilfe bei Wechsel des Bundeslandes auf die "unabweisbar gebotene Hilfe" zu beschränken. Das Bundesverwaltungsgericht entschied nun jedoch, dass diese Bestimmung nicht auf anerkannte Flüchtlinge anzuwenden ist. Dem stehe das 1953 im Rahmen des Europarates geschlossene Europäische Fürsorgeabkommen entgegen, das die soziale Gleichbehandlung von In- und Ausländern regelt. Die Oberverwaltungsgerichte hatten bisher unterschiedlich geurteilt. Anwendbar ist die umstrittene Regelung noch auf Flüchtlinge, die etwa im Rahmen einer Altfall-Regelung ein gesichertes Aufenthaltsrecht in Deutschland erhielten. (Az: 5 C 29.98 und 2.00)
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