Gelnhäuser Tageblatt, 19.5.2000 Flüchtlingen steht volle Sozialhilfe zu Gesetz verstößt laut Bundesverwaltungsgericht gegen völkerrechtliche Abkommen - Beck sieht Diskriminierung beendet BERLIN (AP). Flüchtlinge, denen das so genannte kleine Asyl gewährt wurde, haben Anspruch auf uneingeschränkte Sozialhilfe unabhängig von ihrem Aufenthaltsort in Deutschland. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Donnerstag verstoßen anders lautende Regelungen im Bundessozialhilfegesetz gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und das Europäische Fürsorgeabkommen. Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck, begrüßte die Entscheidung als "wichtigen Schritt zur Durchsetzung internationaler Standards". Das Gericht habe damit "die völkerrechtswidrige Diskriminierung anerkannter Flüchtlinge in Deutschland bei der Gewährung von Sozialhilfe beendet". Das Urteil betrifft mehrere zehntausend Ausländer, denen nach den Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention das "kleine Asyl" gewährt wurde. Allein seit 1995 erhielten so rund 36.000 Menschen eine Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland. Nach dem Sozialhilfegesetz steht diesen "Konventionsflüchtlingen" nur in dem Bundesland, in dem ihnen die Aufenthaltsbefugnis erteilt wurde, Sozialhilfe zu. Bei Umzug in ein anderes Land erhalten sie nur noch eine "unabweisbar gebotene Hilfe", die sich nach Angaben von Flüchtlingsorganisationen in der Regel auf eine Rückfahrkarte in das Antragsland beschränkt. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts weicht eine solche Begrenzung von Fürsorgeleistungen auf ein bestimmtes Gebiet von völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik ab. Nach der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Europäischen Fürsorgeabkommen stünden Flüchtlingen und eigenen Staatsangehörigen die gleichen öffentlichen Sozialleistungen zu, heißt es in der Entscheidung. Den Vertragsstaaten werde nicht erlaubt, den Flüchtlingen über Bestimmungen zur Fürsorge eine "Residenzverpflichtung" aufzuerlegen. Beck begrüßte, dass das Bundesverwaltungsgericht "in erfrischender Deutlichkeit" den Vorrang des Völkerrechts für die Anwendung nationaler Regelungen bestätigt habe. Die Entscheidung sei auch ein deutlicher Hinweis an den Gesetzgeber, die Anwendung des deutschen Ausländer- und Flüchtlingsrechts am internationalen Recht zu orientieren. (Aktenzeichen: BVerwG 5 C 29.98 und 5 C 2.00 - Urteile vom 18. Mai 2000)
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