Hannoversche Allgemeine Zeitung, 19.5.2000 Käßmann fordert Reform Kritik am deutschen Asylrecht und an Einzelfällen seiner praktischen Anwendung auch in Niedersachsen hat die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann geübt. Das Asylrecht werde dem Verfassungsgrundsatz "Die Würde des Menschen ist unantastbar" in vielen Fällen nicht gerecht, erklärte sie am Donnerstag in Hannover vor der 22. Synode der Landeskirche. "Wenn sich eine 40-jährige Asylbewerberin sieben Monate im Transitbereich des Frankfurter Flughafens aufhalten muss und ihr Asylantrag unter anderem auch deshalb abgelehnt wird, weil sie sich nicht erinnern kann, wann sie in Algerien das erste Mal vergewaltigt worden ist, kann sich jeder vorstellen, wie es einer solchen Frau geht", sagte die Bischöfin. Die geltende Gesetzeslage lasse nahezu keine Flexibilität mehr zu. "Das ist bedrückend, gerade weil Deutschland selbst Ausgangspunkt für große Flüchtlingsströme war." "Wir brauchen dringend ein angemessenes Einwanderungsgesetz und nicht nur Computer-Experten für drei Jahre", forderte Käßmann in Anspielung auf die Green-Card-Aktion der Bundesregierung. Außerdem müsse ein Asylgesetz her, das den Notfällen gerecht werde. Vergangene Woche habe sie mit dem niedersächsischen Innenminister Heiner Bartling (SPD) über sechs ungelöste Fälle von Kirchenasyl gesprochen, berichtete die Bischöfin. Der Minister habe sich zwar "sehr bemüht" gezeigt, doch schienen alle rechtlichen Mittel erschöpft. "Grundsätzlich halte ich das Kirchenasyl nicht für ein illegales Mittel", erklärte Käßmann unter Berufung auf ein Gutachten des früheren Bundesjustizministers Jürgen Schmude (SPD). Wenn die Gemeinden die Kirchenasylfälle transparent gestalteten, sei der Aufenthaltsort den Behörden bekannt und damit kein Abtauchen in die Illegalität gegeben, begründete sie ihre Position. Kritisch äußerte sich Käßmann auch über den schleppenden Fortgang der Zwangsarbeiterentschädigung. "Mich bedrückt, dass von den mehr als 10 000 Unternehmen, die während der Nazi-Diktatur Zwangsarbeiter beschäftigt haben, bisher nur 1700 Unternehmen Entschädigungszahlungen angekündigt oder geleistet haben." Käßmann rief dazu auf, die Zehn-Jahres-Aktion des Ökumenischen Rates der Kirchen "Gewalt überwinden" auch in Niedersachsen zu unterstützen. "Wir sollten als Kirche nicht länger ein Lamento über Gewalt anstimmen oder schweigen, sondern selbst aktiv werden bei deren Überwindung", sagte sie. gun, Hannover
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