Die Welt, 19.5.2000 Union drängt auf Einwanderungsgesetz Koalition zur Vorlage eines eigenen Konzepts aufgefordert - Schröder warnt vor Debatte über Asylrecht Von Armin Fuhrer Berlin - Die Union will jetzt verstärkt Druck auf die SPD wegen eines Einwanderungsgesetzes machen. Die Innenpolitiker der Fraktion haben ein Papier erarbeitet, das derzeit bei Fraktionschef Friedrich Merz zur Abstimmung liegt. Darin werden auf vier Seiten erstmals die Grundsätze der Union zur Zuwanderungsproblematik zusammengefasst. Vermutlich im Juni soll das Papier, das der WELT vorliegt, als Antrag in den Bundestag eingebracht werden. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Erwin Marschewski, erklärte auf Anfrage der WELT: "Das Problem der Zuwanderungssteuerung muss jetzt dringend angegangen werden. Wir können uns die derzeitige ungeregelte Einwanderung nicht mehr leisten." Ausdrücklich heißt es in dem Papier, CDU und CSU seien bereit, mit allen Parteien Gespräche über die Steuerung der Zuwanderung nach Deutschland zu führen. Die Gespräche müssten ohne Vorbehalte erfolgen. Mit der Formulierung, sie könnten "auf der Basis eines von der Bundesregierung vorgelegten Zuwanderungssteuerungsgesetzes geführt werden", wird die rot-grüne Koalition indirekt aufgefordert, ein eigenes Konzept vorzulegen. Nach Vorstellungen der Union sollen die Gesamthöchstzahlen für die jährliche Zuwanderung durch eine Rechtsverordnung, der Bundestag und Bundesrat zustimmen müssen, festgelegt werden. Dabei sei insbesondere Rücksicht zu nehmen auf die demographische Entwicklung in Deutschland und der Europäischen Union sowie die Situation auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt. Die Gesamthöchstzahl müsse sich aus Höchstzahlen für alle Gruppen von Zuwanderern zusammensetzen. Dazu gehörten Asylbewerber und Flüchtlinge, Personen, die im Rahmen von humanitären Hilfsaktionen einreisen, Familiennachzügler, Arbeitszuwanderer sowie bereits in Deutschland lebende Ausländer mit einem vorübergehenden Aufenthaltsrecht. Ausdrücklich nennt das Papier zudem auch Spätaussiedler. Der Antrag auf Zuwanderung soll vor der Einreise vom Ausland aus gestellt werden. Auch gegen die Ablehnung soll die betreffende Person nur vom Ausland aus rechtlich vorgehen können. Zuwandernde Ausländer müssten das Grundgesetz anerkennen und Kenntnisse der deutschen Sprache haben, fordert die Union. Die Integration sollte durch Sprach- und Eingliederungskurse gewährleistet werden. Nicht verzichten will die Union auf die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl. "Da ein Teil der heute zu verzeichnenden Zuwanderung grundgesetzlich vorgezeichnet ist, ist es erforderlich, auch das Grundgesetz zu ändern, um eine umfassende Steuerung zu ermitteln", heißt es in dem Papier. Bundeskanzler Gerhard Schröder warnte unterdessen nach einem Bericht der "Frankfurter Rundschau" in der SPD-Fraktion vor einer "abstrakten" Debatte über ein Einwanderungsgesetz. Er sei dafür, "konkrete" Regelungen zu verabschieden, wenn es erforderlich wäre, zitierte die Zeitung Schröder. Die SPD dürfe nicht in die Falle gehen und sich in eine von der Union gewünschte Debatte über das Asylrecht abdrängen lassen, "das wir nicht ändern wollen". Hinter Schröders Mahnung steht offenbar die Befürchtung eines neuen Streits mit dem linken Fraktionsflügel.
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