Kölnische Rundschau, 20.5.2000 Forderungen nach Aufhebung der Irak-Sanktionen werden lauter Von Kai D. Pfundt Köln. Der Rücktritt sollte ein unmissverständliches Alarmsignal sein. Als Hans von Sponeck, deutscher Diplomat im Dienst der Vereinten Nationen, im Februar seinen Posten als Koordinator des internationalen Hilfsprogramms im Irak niederlegte, wollte er mit diesem Schritt gegen die internationalen Sanktionen gegen das Land protestieren. Die Vorwürfe Sponecks wiegen schwer. "Im Jahr sterben 50 000 bis 60 000 irakische Kinder allein wegen der Folgen des UN-Wirtschaftsembargos", berichtete der seinerzeit ranghöchste Vertreter der Weltgemeinschaft im Reich Saddam Husseins am Donnerstag abend dem Dellbrücker Forum in Köln. Sponeck beruft sich bei seinen Vorwürfen auf Zahlen des Kinderhilfswerks Unicef. Erhebungen in 24 000 Haushalten ergaben, dass sich die Kindersterblichkeit im Mittel- und Nordirak in den 90er Jahre fast verdoppelt hat. 91 von 1000 Kindern erleben danach nicht ihr fünftes Lebensjahr. Als Ursache nennt Unicef die katastrophale medizinische Versorgung und die mangelhafte Ernährungslage, beides Folgen des UN-Wirtschaftsembargos. "Was heute im Irak passiert, ist nichts weniger als eine Menschenrechtsverletzung", sagt der Diplomat. Die Vorwürfe richten sich vor allem gegen die USA und Großbritannien. Beide Staaten beharren auf dem Sanktionsregime, obwohl die Kritik zunimmt. Viele EU-Staaten bemängeln mittlerweile, dass das Embargo seinen ursprünglichen Sinn nicht erfüllt: Nämlich eine erneute Aufrüstung des Irak zu behindern und das Verbrecher-Regime Saddams zu destabilisieren. Deutsche Diplomatie geht auf Distanz Ein Urteil, das Sponeck während seiner 17 Monate im Irak bestätigt sah: "Die Sanktionen und die Bombenangriffe führen dazu, dass sich viele Iraker mit der Regierung solidarisieren. Saddam wiederum kann dem Westen die Schuld an den katastrophalen Missständen im Land in die Schuhe schieben." Auch die deutsche Diplomatie geht auf Distanz zur Irak-Politik von Briten und Amerikanern. Günther Altenburg, Leiter der UN-Abteilung im Auswärtigen Amt, sprach in Dellbrück von "Fehlleistungen des Sanktionsprozesses". Die derzeitige Situation, meint Altenburg, könne nicht fortgesetzt werden. Sponeck sieht zudem noch eine "gehörige Portion Verlogenheit" im Spiel. Nach seiner Beobachtung florieren die illegalen Importe über die Grenzen zur Türkei und zu Jordanien: "Hier gibt es große Einfallstore, durch die mit Wissen aller Beteiligten alles mögliche geht." Für Hans von Sponeck ist die Embargopolitik, bei der das Verhältnis von Nutzen und schädlichen Folgen völlig aus dem Lot geraten ist, gescheitert. Der Diplomat, der gegenwärtig durch die Hauptstädte reist, um für seine Positionen zu werben, fordert eine sofortige Aufhebung der wirtschaftlichen Isolation. Die berechtigte Forderung nach eine Kontrolle der irakischen Militärprogramme will er, weil mit einer Kooperation der Führung in Bagdad nicht zu rechnen ist, von außen kontrollieren: Durch strenge Kontrolle aller Einfuhren. Auch wenn gegenwärtig die Grenzen mehr als löchrig sind, sei dies umsetzbar, ist Sponeck überzeugt: "Die beteiligten Staaten müssen nur fest dazu entschlossen sein".
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