junge Welt, 23.05.2000 Was stört Sie am Bündnis für Demokratie und Toleranz? jW fragte Brigitte Erler, Sprecherin der »Aktion rage« F: Das Innenministerium will am heutigen Dienstag ein Bündnis für Demokratie und Toleranz in Berli n vorstellen. Im Vorfeld wurde das Konzept von verschiedenen Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert. Was bemängeln Sie an dieser Initiative? Wir sind sehr dafür, daß es ein breites gesellschaftliches Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus gibt. Wir glauben aber, daß es gut organisiert sein muß. Das heißt, es muß eine definierte Zielsetzung geben. Man darf sich nicht allgemein gegen Rassismus oder gegen Rechtsextremismus wenden. Man muß klare Ziele erklären, wie den Kampf gegen die sogenannten national befreiten Zonen oder Aktionen für ein Antidiskriminierungsgesetz. Als erstes muß eine Arbeitsstruktur unter Mitwirkung der Leute gebildet werden, die sich da wirklich engagieren. Und es muß auch eine entsprechende Finanzierung für eine solche Arbeit gewährleistet sein. Wogegen wir uns wenden, ist also nicht das Bündnis. Wir wollen ein effektives Bündnis, wir wollen aber keine Feierstunde, wo Herr Schily und Frau Däubler- Gmelin beklatscht werden. F: Die Arbeitsgemeinschaft Pro Asyl hat zudem bemängelt, daß das Konzept dieser Initiative den Blick auf den staatlichen und den institutionellen Rassismus verstellt. Teilen Sie diese Kritik? Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und sage, es gibt überhaupt kein Konzept. Es gibt lediglich das Organisieren einer Feierstunde. Und ich weiß nicht, was es zu feiern gibt, wenn man gegen Rechtsextremismus antritt, während auf der Straße Ausländer zusammengeschlagen werden. Es gibt außerdem auch im staatlichen Bereich eine ganze Reihe von Diskriminierungen. Wir sehen tagtäglich, wie Ausländer in Ausländerämtern behandelt werden. Die staatliche Diskriminierung ist bei dem Bündnis bisher aber nicht genannt worden. Wir sind grundsätzlich bereit, ein Bündnis mit staatlichen Stellen zu schließen. Wir behalten uns aber vor, sie weiter dort zu kritisieren, wo wir der Meinung sind, daß Kritik angebracht ist. F: Verschiedene Menschenrechtsorganisationen, unter ihnen die Aktion Courage, haben ihre Einladung zur Feierstunde daher abgesagt. Der DGB wird eine alternative Veranstaltung organisieren. Welches alternative Konzept bieten Sie an? Im Grunde kann in dieses Bündnis alles einfließen, was zur Bekämpfung von Rechtsextremismus, Intoleranz, Diskriminierung oder Übergriffen gegen Ausländer beiträgt. Das ist dann eine Frage der Absprache innerhalb des Bündnisses. Für mich gehören die sogenannten national befreiten Zonen der Neonazis zu einem der dringlichsten Punkte. Ein zweiter Bereich wäre sicherlich das Verhalten von Polizei und Bundesgrenzschutz gegenüber Ausländern. Es gäbe also viele Bereiche, mit denen wir uns in einem solchen Bündnis beschäftigen müßten. Die derzeitige Initiative wird dem aber nicht gerecht. F: Gibt es eine Reaktion der Bundesregierung auf Ihre Kritik? Nein, erstaunlicherweise haben wir keine Antwort erhalten. F: Das Bündnis wird seine Arbeit also auch ohne die Mitarbeit der Menschenrechtsorganisationen aufnehmen? Es gibt sicherlich Organisationen, die sich an dem Bündnis beteiligen werden. Wir haben beschlossen, uns aus dem Projekt zurückzuziehen, weil wir den ernsthaften Ansatz vermissen. Wir setzen hier ein Signal, weil wir uns von der Bundesregierung in diesem Punkt nicht ernst genommen fühlten. Interview: Christian Kliver
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