Frankfurter Rundschau, 24.5.2000 Schily ruft "ideelles Bündnis" aus Initiative für Toleranz gestartet / DGB und Flüchtlingsverbände rügen Asylpolitik Von Helmut Lölhöffel Mit mehreren Veranstaltungen, Festreden und einem Informationsmarkt hat sich in Berlin ein gegen Rechtsextremismus gerichtetes bundesweites Bündnis für Demokratie und Toleranz gebildet. Flüchtlings- und Menschenrechtsgruppen sowie Teile der Grünen und die PDS versuchten, den Zusammenschluss in ein Bündnis gegen die Asylpolitik von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) umzuwandeln. BERLIN, 23. Mai. Auf dem Bebelplatz im Zentrum Berlins informierten am Dienstag 93 lokale und regionale Initiativen und Organisationen über ihre Arbeit gegen Gewalt, für Integration von Ausländern und interkulturelle Begegnungen. Die Präsentation war jedoch schwach besucht. Es hatte vorher keine wahrnehmbare Werbung und keine Ankündigungen in der Lokalpresse gegeben. Rolf Wischnath, Vorsitzender des Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Brandenburg, warnte in einer Diskussionsrunde davor, dass die Veranstaltung "zur Eintagsfliege" wird und sich auf dem Platz "nur Menschen treffen, die sich gegenseitig der Toleranz und Solidarität versichern". An den vielfältigen Informationsständen zeigten sich eine Aktionsgruppe für interkulturelles Lernen an brandenburgischen Berufsschulen ("Zusammen lernen und Gewaltprävention"), die Fachhochschule der Polizei Brandenburg ("Fairständigung - Menschenwürde achten"), die Hilfsorganisation für Opfer politischer Gewalt HELP, eine deutsch-vietnamesische Begegnungsstätte Dien Hong, das multikulturelle Forum aus Lünen mit Schriften für berufliche Orientierung von Zuwanderern, ein Interventionsteam "Eingreifen, nicht ausrasten" und eine Trainingsoffensive "Miteinander will gelernt sein". Im Apollosaal der Staatsoper sagte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), die Zusammenkunft sei "kein punktuelles Ereignis", sondern Auftakt zum "Gestaltungsprozess" eines "ideellen Bündnisses". Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) nannte als eine der Aufgaben des Bündnisses, positive Beispiele herauszustellen und sich auch um die Opfer politischer Gewalt zu kümmern. Der Präsident der Akademie der Künste, György Konrád, nannte als wesentliche Elemente von Gewalt "deren Billigung oder Entschuldigung, Verschließen der Augen, Komplizenschaft, Bagatellisieren, Unaufmerksamkeit und Gleichgültigkeit". Bei einer Veranstaltung des DGB, des Interkulturellen Rats und des Rats für Migration ging es überwiegend um die Flüchtlings- und Asylpolitik der Bundesregierung. Etliche Organisationen, die vom Bundesinnenministerium zur Teilnahme am Bündnis eingeladen worden waren, mochten nicht mitmachen. Sie protestierten nicht nur gegen Schilys Politik, sondern kritisierten auch "Konzeptlosigkeit" des Bündnisses. Einige antirassistische und antifaschistische Gruppen fühlten sich "ausgegrenzt". Die PDS-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke und Sabine Jünger sahen in der Gründung eine "Galaveranstaltung" und vermissten "Taten". Auch aus der Grünen-Bundestagsfraktion waren kritische Stimmen zu hören, auch wenn der Abgeordnete Volker Beck herausstellte, dass die Bundesregierung nun den Rechtsextremismus als zentrales Thema erkannt habe.
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