junge Welt, 24.05.2000

Protestwelle in Iran

Studenten fordern Freilassung von politischen Gefangenen und Wiederzulassung von Zeitungen

Sieben iranische oppositionelle Studentenorganisationen rufen für den heutigen Mittwoch zu einer Großdemonstration in Teheran auf. Sie protestieren gegen die jüngste Verhaftungswelle im Iran, bei der prominente Regimekritiker wie der Journalist Akbar Gandji, die Frauenrechtlerin Mehrangiz Kar, die Verlegerin Shahla Lahidji und der Studentenvertreter Ali Afshari wegen ihrer Teilnahme an der Berliner Konferenz »Iran nach den Parlamentswahlen« im April festgenommen wurden.

Desweiteren fordern die Studenten die Freilassung aller politischen Gefangenen, insbesondere der während der Proteste im vergangenen Jahr verhafteten Kommilitonen, sowie die Aufhebung des Verbots der reformorientierten Presse. In Flugblättern kündigten sie an, erneut ihre »Stimme für die Freiheit« zu erheben und mit ihrer Aktion die Erinnerung an die Bewegung des 18. Tir vorzubereiten. Der 18. Tir ist - dem persischen Kalender nach - das Datum des Überfalls der Sicherheitskräfte auf ein Teheraner Studentenwohnheim im Juli vergangenen Jahres und der Beginn der folgenden Studentenproteste, die als bedeutendste Demonstration nach der Islamischen Revolution 1979 gewertet wurden.

Die Kundgebung findet einige Tage vor der Konstituierung des neuen Parlaments statt, das von den sogenannten Reformkräften dominiert wird. Die Organisatoren verstehen die Demonstration als einen gezielten Appell an das neugewählte Parlament, endlich Maßnahmen für die Freilassung der inhaftierten Studenten zu ergreifen und das Presseverbot aufzuheben, erklärte Gholamreza Mohajeri- Nejad, stellvertretender Vorsitzender der Organisation iranischer intellektueller Studenten und Mitinitiator der Kundgebung, gegenüber junge Welt. Ihr Vorsitzender, der Studentenführer Manoucher Mohammadi, befindet sich seit den Studentenunruhen des letzten Jahres in Haft. Im Januar 1999 war er auf Einladung von Bündnis 90/Die Grünen und des AStA der Freien Universität Berlin nach Deutschland gekommen, um über die Situation im Iran nach der Ermordung von Schriftstellern und Intellektuellen zu berichten. Obwohl Gefahr für sein Leib und Leben bestand, kehrte er damals in den Iran zurück.

Die Organisatoren der von offizieller Seite nicht zugelassenen Demonstration sind dem laizistischen sowie dem religiösen Spektrum zuzuordnen und stehen in Opposition zu Präsident Khatami.

(jW)