Die Presse (A), 25.5.2000 Otto Schily urgiert ein europaweit akkordiertes Ausländerrecht Deutschlands Innenminister schließt aber bilaterale Verhandlungen mit Österreich weiterhin aus. Von unserem Korrespondenten Ewald König BERLIN. Der deutsche Innenminister Otto Schily (SPD) drängt im Ausländerrecht auf eine gemeinsame europäische Lösung. Dennoch wird Schily nicht das bilaterale Gespräch mit Österreich aufnehmen. "Wir brauchen eine europäische Regelung", sagte Schily am Mittwoch im Gespräch mit Auslandskorrespondenten in Berlin. "Diese Regelung muß aber Differenzierungen möglich machen." Die drei unterschiedlichen Problemkreise Asylwerber, vorübergehender Schutz von Bürgerkriegsflüchtlingen und Probleme der Zuwanderung dürften nicht vermischt werden, sondern müßten differenziert behandelt werden. Unterschied Recht - Praxis Auf seine Reform des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts ist Schily stolz: Er sei von allen europäischen Innenministern, auch denen der EU-Beitrittskandidaten, dafür gelobt worden. Seine Reform habe das Staatsangehörigkeitsrecht, das aus dem Jahr 1913 stamme, seither nur ein paar Veränderungen erfahren habe und sehr stark völkisch orientiert gewesen sei, zeitgemäß verändert. Damit sei erstmals eine Verbindung von Abstammungsprinzip und Territorialprinzip gelungen. Dabei hob Schily das neue Recht von Frauen auf eigenständigen Aufenthalt hervor. "Aber wir müssen auch die Balance wahren", betonte der Innenminister. Es gehe nicht an, daß "man von vornherein verteufelt wird, nur weil man sagt, daß Zuwanderung zur Belastung führt". Deutschland habe das liberalste Zugangsrecht - "Man muß nur ohne zu stottern das Wort Asyl aussprechen können"-, aber als Reflex dafür die illiberalste Anerkennungspraxis. Mehrstaatlichkeit und Doppelstaatsangehörigkeit sei ja prinzipiell immer noch möglich, wies Schily Vorwürfe der Restriktion zurück. Die Argumente des SPD-Politikers gegen den "Doppelpaß" klingen indes wenig überzeugend: Er fürchte, der Inhaber eines deutschen und eines schweizerischen Passes wisse nicht, wie er sich verhalten solle, weil die Schweiz Vorbehalte gegen die EU-Mitgliedschaft habe. Oder der Inhaber eines deutschen und eines türkischen Passes wisse nicht, wie er sich verhalten solle, weil die Türkei mit unterschiedlicher Geschwindigkeit an die Europäische Union herangeführt werde. Die Bemühungen um eine Vereinheitlichung des Ausländerrechts in der EU bedeutet jedoch nicht, daß Schily mit seinem österreichischen Amtskollegen bilateral verhandeln wird. Auf die Frage der "Presse", wann Wiens Innenminister wieder mit ihm reden könne und nicht den Umweg über den bayrischen Innenminister suchen müsse, sagte Schily: "Herr Strasser kommt ja zu den europäischen Konferenzen, da hab' ich schon ein paar Worte mit ihm gewechselt." Schily betonte, wie gut seine Beziehungen zum früheren Innenminister Karl Schlögl (SPÖ) gewesen seien. "Es gibt also überhaupt keine Austrophobie. Ganz im Gegenteil. Ich halte Österreich für ein wunderbares Land mit wunderbaren Menschen. Aber wir haben ein Problem, das bekannt ist. Und wir haben Entscheidungen auf der europäischen Ebene, die auch bekannt sind." Chevénement verteidigt Sehr wohl kommentierte Schily dagegen die antideutschen Ausritte seines französischen Amtskollegen Jean-Pierre Chevénement. Chevénement hatte gesagt: "Im Grunde träumt Deutschland noch immer vom Heiligen Römischen Reich deutscher Nation und hat sich noch nicht von den Entgleisungen erholt, die der Nationalsozialismus in seiner Geschichte gewesen ist." Nach der Entschuldigung des Pariser Kollegen nahm Schily ihn gestern in Berlin in Schutz: Chevénement habe beteuert, er sei mißverstanden und überinterpretiert worden. Man wisse, daß der Pariser Innenminister mitunter zugespitzte Äußerungen liebe. |