Wiesbadener Kurier, 26.5.2000 "Es wäre schön, wenn meine Freunde mich besuchen könnten Grüne bei Familie Akyüz/CDU-Politiker Lorenz greift Kirchen scharf an Von KURIER-Redakteurin Anke Hollingshaus WIESBADEN/MAINZ Als gestern Mittag drei Polizisten in der Kirche standen, hatte die Familie Akyüz erst Angst. Schnell stellte sich aber heraus, dass die Beamten sie nicht herausholen wollten. "Einer der Polizisten hat sich vorgestellt und gesagt, er und seine Kollegen seien die nächsten acht Stunden für die Überwachung zuständig. Es war eine sehr nette Geste", erzählt die Wiesbadener Stadtverordnete Dr. Helga Brenneis (Grüne), Vorsitzende des Ausschusses für Völkerverständigung. Mit Fraktionschef Stefan Burghardt hat sie die kurdische Familie gestern besucht, die seit dem Wochenende bei der Evangelischen Studentengemeinde (ESG) in Mainz im Kirchenasyl ist und bis Ende April in Wiesbaden lebte. Nach dem Medienrummel vom Tag zuvor war es gestern ruhiger. Die Kinder sehnen sich nach ihren Freunden. "Es wäre schön, wenn sie mich besuchen könnten", sagt Shirin, die in Bierstadt zur Fliednerschule ging. Studenten kochen für die elf Menschen, man will kurdische Lehrkräfte finden, die die Kinder unterrichten. Der leitende Mainzer Oberstaatsanwalt Klaus Puderbach hat Ermittlungen gegen ESG-Pfarrer Dr. Ulrich Luig eingeleitet, wegen Beihilfe zum Verstoß gegen das Ausländergesetz. Puderbach zum KURIER: "Die Gewährung des Kirchenasyls kann eine strafrechtliche Konsequenz haben." Für Luig ist es am wichtigsten, "dass die Familie nicht abgeschoben wird". Und die Studenten könnten zudem "ein Stück zivilen Ungehorsams" lernen. Mit harschen Worten kritisiert der Wiesbadener CDU-Stadtverordnete, Vorsitzende der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) und "engagierte Katholik" Bernhard Lorenz das Kirchenasyl. Es sei "nicht hinnehmbar", dass sich einzelne Kirchenvertreter über Entscheidungen deutscher Gerichte stellten. Wer dies tue, stelle den Rechtsstaat in Frage. Lorenz verweist erneut darauf, dass das Bleiberecht jedes einzelnen Familienmitglieds in insgesamt mehr als 30 Verfahren untersucht worden sei. Auch das Bundesverfassungsgericht, bei dem Anwalt Uwe Remus Beschwerde eingelegt hat, habe keine Verlängerung "Kein Pfennig vom Staat" des Bleiberechts angeordnet. Lorenz fordert, die Kirche müsse die volle Verantwortung für die Familie übernehmen. Für Krankenversicherung, Verpflegung und die Schulausbildung. "Vom Staat soll es keinen Pfennig mehr geben." Oberbürgermeister Hildebrand Diehl betonte, wie schon oft, die Ausländerbehörde sei nur "Vollzugsorgan" und habe keinen Spielraum. An der rechtlichen Situation habe sich durch das Kirchenasyl nichts geändert. Der Familie und ihrem Anwalt sei es unbenommen "gegebenenfalls neue Fakten und Gutachten" in das Verfassungsgerichts-Verfahren einzubringen. |