Frankfurter Rundschau, 27.5.2000 Hungerstreik von Flüchtlingen lässt Landrat kalt Asylbewerber müssen im Kreis Konstanz weiter mit Essenspaketen auskommen / Schärfere Lebensmittelkontrollen Von Peter Reinhardt Mehrfach hat die Versorgung von Asylbewerbern mit Essenspaketen im Landkreis Konstanz für Ärger gesorgt gesorgt. Neun Tage lang waren nun Flüchtlinge in einer Singener Sammelunterkunft im Hungerstreik. Doch Landrat Frank Hämmerle beharrt darauf, Lebensmittel und Hygieneartikel in Paketen auszuliefern. STUTTGART, 26. Mai. Die Situation in der Sammelunterkunft hatte sich zuletzt zugespitzt, nachdem zwei der 24 hungerstreikenden Flüchtlinge wegen Entkräftung ins Krankenhaus mussten. Zudem solidarisierten sich die Bewohner einer Unterkunft in Konstanz und verweigerten ebenfalls die Annahme der Pakete. Sprecher der Flüchtlinge klagten über vergammeltes Obst und schlechtes Fleisch. Daran knüpften sie die Forderung, statt der Pakete Bargeld oder Gutscheine zu bekommen, um selbst einkaufen zu können. Erst nach "langen Gesprächen", so die Sozialreferentin des Landratsamtes, Ursula Auchter, "haben wir die Asylbewerber zum Aufgeben gebracht". Im Gegenzug gestand Landrat Hämmerle lediglich Verbesserungen bei der Versorgung und in den Heimen zu. Für die Asylbewerber werde eine Tauschbörse eingerichtet, über die sie einzelne Waren nach einem Punkteschlüssel auswechseln könnten. Obwohl Auchter betont, es seien keine qualitativen Mängel bei den Lebensmitteln festgestellt worden, will der Kreis die Lieferungen schärfer kontrollieren. Schon vor zwei Jahren hatte es im Landkreis Konstanz Proteste gegen die Esspakete gegeben. Hämmerle sah aber auch jetzt keinen Spielraum, um den Flüchtlingen weiter entgegen zu kommen. Seinen harten Kurs begründet er mit der Gesetzeslage. Danach müsse es bei den Paketen bleiben, die drei Mal pro Woche ausgeliefert werden und Lebensmittel für exakt 6,86 Mark je Flüchtling enthalten. In den Nachbarkreisen haben die Behörden flexibler auf Proteste reagiert. Im Bodenseekreis können Asylbewerber mit Punktekarten in einem Laden in der Unterkunft einkaufen und aus dem Angebot frei wählen. Im Schwarzwald-Baar-Kreis dürfen die Flüchtlinge in einem normalen Supermarkt einkaufen und über ein Konto-Blatt monatlich 282 Mark abrechnen. Hämmerle dagegen bleibt hart. Er warf den Streikenden sogar vor, der Essens-Boykott in der Sammelunterkunft sei von einer kleinen Gruppe gesteuert worden "Wir haben den Eindruck, einzelne Leute wurden zum Hungerstreik verpflichtet, die das gar nicht wollten." Sozialreferentin Auchter behauptet, die Bewohner seien mit körperlicher Gewalt zur Teilnahme gebracht worden. Sie stützt sich dabei auf "eigene Beobachtungen vor Ort". Nähere Auskünfte dazu wollte sie nicht geben.
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