Die Presse (A), 27.5.2000 Einwanderungspolitik: "Wir haben die Probleme erkannt" Die EU ringt mit dem heiklen Problem der Immigration. Die Bevölkerung wird immer ablehnender, der wirtschaftliche Zwang immer größer. Von unserer Korrespondentin Doris Kraus BRÜSSEL. Die EU-Staaten haben erkannt, daß der gesamte Komplex der "Immigration" in den nächsten Jahren politisch äußerst heiß werden wird. Auf der einen Seite hat man es mit einer zunehmend feindseligen Haltung der EU-Bevölkerung gegenüber "Fremden" zu tun, und zwar von Dänemark über Irland bis zu Spanien, Österreich und Deutschland. Gleichzeitig aber wächst der wirtschaftliche Druck auf die EU-Staaten, zur Sicherung des derzeitigen Wohlstandsniveaus die sogenannte "intelligente Immigration" zu forcieren: Computerspezialisten aus Indien etwa oder Techniker aus Rußland. "Die EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten haben das Problem erkannt", meint ein EU-Diplomat. In der Abteilung des zuständigen EU-Kommissars Antonio Vitorino ist man sich auch der Tatsache bewußt, daß bei dieser Diskussion allzu viele Zutaten zu einem eher unbekömmlichen Eintopf verkocht werden: Flüchtlinge, Asylsuchende, illegale Einwanderer und Wirtschaftsimmigranten. "Die europäische Bevölkerung ist ja nicht grundsätzlich gegen Einwanderung. Sie ist gegen Illegale, sie ist gegen Kriminalität", meint Vitorinos Sprecher. Die Kommission setzt seit dem Sondergipfel von Tampere im Oktober auf ein klares Rezept, das sich etwas brutal mit "die Spreu vom Weizen trennen" überschreiben ließe. Es soll klare gemeinsame Regeln geben, wer sich innerhalb und wer sich außerhalb des rechtlichen Rahmens bewegt, um den Kampf gegen kriminelle Elemente zu erleichtern. In Tampere wurde beschlossen, diesen Kampf zu verschärfen, gleichzeitig aber auch die Integration jener Zuwanderer zu forcieren, die ständig in der EU leben. Am Montag will man dabei einen Schritt weiterkommen. Der Rat der Innen- und Justizminister hat nicht weniger als fünf Punkte zum Thema Asyl und Migration auf der Tagesordnung, die die verschiedensten Aspekte dieses Bereichs abdecken: vom temporären Schutz von Kriegsflüchtlingen bis zur Rückführung. Der Europäische Flüchtlingsfonds soll EU-Staaten bei der Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen helfen. 2,27 Milliarden Schilling (165 Mill. Euro) stehen bis Anfang 2005 zur Verfügung. Im Prinzip ist man sich einig, über die Verteilung des Geldes wird aber noch gestritten. Keine Einigung ist hingegen bei den gemeinsamen Regeln zur Familienzusammenführung in Sicht. Die Kommission hat hier einen Vorschlag gemacht, der auch Studenten nach einem Jahr bereits die Nachholung ihrer Angehörigen erlauben würde - und das geht den meisten Mitgliedsländern zu weit.
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