Die Welt, 27.5.2000 Die Konservativen bleiben weiter eine wichtige Macht Berlin - Wenn auch der iranische Präsident Mohammed Chatami eine sehr komfortable Mehrheit des Parlaments hinter sich weiß, so werden seine konservativen politischen Gegner doch auch weiterhin die Politik entscheidend beeinflussen können: Ihr Einfluss reicht noch, um Schlüsselpositionen nach ihren Maßgaben zu besetzen. Bislang hatten die Hardliner die Unterstützung von Religionsführer Ayatollah Ali Chamenei, der als höchste Autorität in der Islamischen Republik Iran gilt. Die Verfassung billigt ihm weit reichende Kompetenzen zu. Laut Artikel 110 hat er die Macht, den Präsidenten zu entlassen. Voraussetzung dafür ist entweder eine Entscheidung des Obersten Gerichts unter Berufung auf die nationalen Interessen oder das Votum von zwei Dritteln der Parlamentsabgeordneten bei einer Vertrauensabstimmung. Das Parlament wurde von Staatsgründer Ayatollah Chomeini zwar als "Spitze der Institutionen" eingestuft. Tatsächlich ist es jedoch den Entscheidungen des Wächterrats unterworfen. Dieser zwölfköpfige Verfassungsrat wird von den Konservativen dominiert und überprüft sämtliche vom Parlament beschlossenen Gesetze darauf, ob sie mit der Verfassung und dem Islam in Einklang stehen. Im Falle eines Streits zwischen Parlament und Wächterrat vermittelt ein Schiedsgericht. Bei weit reichenden politischen Entscheidungen wie etwa in der Verteidigungspolitik kann die Regierung lediglich ihre Wünsche formulieren, hat aber auf deren Umsetzung keinen Einfluss. Laut Verfassung hat der oberste geistliche Führer allein das Recht, über Krieg oder Frieden zu entscheiden. Ihm obliegt es, die Truppen zu mobilisieren, Militärchefs und den obersten Richter zu ernennen oder Volksabstimmungen einzuberufen. Er hat den Oberbefehl sowohl über die regulären Streitkräfte wie auch über das Islamische Revolutionäre Gardekorps, das über eigene Bodentruppen und Luftwaffe verfügt. Die Konservativen kontrollieren zudem auch noch eine ganze Reihe von zivilen Einrichtungen und Stiftungen, die die politische Entwicklung des Landes in den vergangenen 20 Jahren entscheidend beeinflusst haben. Die Justiz bleibt eine ihrer wichtigsten Bastionen. Nebenbei kontrollieren sie das Staatsfernsehen und den Rundfunk, deren Chefs direkt von Chamenei bestimmt werden. Eine konservative Stiftung verwaltet landesweit mehr als 1000 Wirtschafsunternehmen und Fabriken, die sich vollkommen der Kontrolle durch die Regierung entziehen. Und schließlich sind die Tribünen der wöchentlichen Gebete in den Großstädten sowie die 40 000 Moscheen des Landes weitgehend in der Hand der Konservativen. Es mehren sich aber die Anzeichen dafür, dass zumindest Chamenei sich an die neuen politischen Verhältnisse im Land anpassen will. So drang er darauf, die Ergebnisse der Nachwahlen rasch zu veröffentlichen, um die Konstituierung des Parlamentes nicht zu gefährden. Beobachter sehen darin Anzeichen für ein Abrücken von seiner bisherigen harten Haltung. DW
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