Süddeutsche Zeitung, 31.5.2000 Reformer Karrubi neuer Parlamentschef in Iran Anhänger von Staatspräsident Chatami will revolutionäre Ideale bewahren Teheran (AFP/Reuters) - Der Anhänger des reformorientierten iranischen Staatspräsidenten Mohammad Chatami, Mehdi Karrubi, ist am Dienstag mit großer Mehrheit zum Präsidenten des neuen Parlaments gewählt worden. Der 57 Jahre alte Politiker, der früher dem radikal-fundamentalistischen Lager angehört hatte, war der einzige Kandidat für den einflussreichen Posten. Von 249 Parlamentsabgeordneten stimmten 186 für Karrubi, 63 enthielten sich; gegen ihn stimmte niemand. Karrubi war bereits von 1989 bis 1992 Parlamentsvorsitzender; derzeit ist er Generalsekretär der Vereinigung kämpferischer Geistlicher, der auch Chatami angehört. Zu Karrubis erstem Stellvertreter wurde Madschid Ansari von der Islamischen Arbeitspartei gewählt. Zweiter Vizepräsident des Parlaments ist der ehemalige iranische Arbeitsminister Abolghassem Sarhadi-Sadeh. Das iranische Parlament war am vorigen Samstag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengetreten. Karrubi gilt als Kompromisskandidat. Die größte iranische Reformerpartei, Moscharekat, hatte auf einen Kandidaten für das Präsidium verzichtet, um einen Richtungsstreit mit den gemäßigten Kräften innerhalb des Reformlagers zu vermeiden. In seiner Antrittsrede äußerte Karrubi die Hoffnung, dass das Parlament die revolutionären Ideale wahren und zugleich dem reformorientierten Präsidenten Chatami ein guter Partner sein werde. Karrubis aussichtsreichster Gegner, der ehemalige iranische Staatspräsident Haschemi Rafsandschani, hatte am Donnerstag überraschend sein Abgeordnetenmandat niedergelegt. Rafsandschani, der von den reformfeindlichen Kräften in Iran unterstützt wird, begründete seinen Schritt mit dem "Propagandafeldzug" des gemäßigten Lagers gegen ihn. Die Reformer um Präsident Chatami hatten bei der Parlamentswahl im Februar einen deutlichen Sieg errungen. Chatami liefert sich seit mehreren Jahren einen Machtkampf mit den konservativen Kräften innerhalb des schiitischen Klerus. Während Chatami für eine gesellschaftliche Öffnung und Pressefreiheit eintritt, sperren sich seine Widersacher gegen den Reformkurs. Die vom Irak aus agierende bewaffnete Oppositionsgruppe der Volksmudschaheddin bekannte sich unterdessen zu einem Granatenangriff auf einen Militärstützpunkt in Teheran. Dabei seien am Montag mehrere Revolutionswächter und ihre Chefs getötet oder verwundet worden, hieß es in einer Erklärung. Der Angriff sei eine Aktion aus Solidarität mit den Studentendemonstrationen in Teheran in der vorigen Woche.
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