Berliner Zeitung, 6.6.2000 Im Lockerbie-Fall führt eine neue Spur nach Teheran Angeblicher Ex-Geheimdienstler aus Iran enthüllt im US-Fernsehen Details über den Anschlag auf das PanAm-Flugzeug WASHINGTON, 5. Juni. Ein Iraner, der nach eigenen Angaben als stellvertretender Geheimdienstminister terroristische Aktivitäten koordinierte, hat im US-Fernsehsender CBS Details über die Bombenanschläge von Lockerbie und eine US-Kaserne in Saudi-Arabien enthüllt. Zudem sagte der in die Türkei geflohene Ahmad Behbahani in dem Interview, dass er im Juli 1989 mit zwei Komplizen in Wien den iranischen Kurdenführer Abdul-Rachman Ghassemlu erschossen habe. Damals fanden in der österreichischen Hauptstadt geheime Verhandlungen zwischen der iranischen Regierung und dem kurdischen Widerstand statt. Das Interview wurde an einem geheimen Ort geführt, die türkischen Behörden ließen aus Sicherheitsgründen keine Aufzeichnung des Gesprächs zu. Behbahani habe die in Iran geborene Reporterin mit den Worten empfangen: "Sie könnten eine Attentäterin sein. Ich selbst habe mich als Journalist ausgegeben, als ich Ghassemlu in Wien tötete." Behbahani nannte in der Sendung Einzelheiten über die Organisierung des Bombenanschlags auf den PanAm-Flug 103 am 21. Dezember 1988, der über dem schottischen Dorf Lockerbie abstürzte. Zudem sprach er über das Attentat auf die Chobar-Towers-Kaserne in Saudi-Arabien 1996. In Lockerbie kamen 270 Menschen ums Leben, in Saudi-Arabien waren 19 US-Luftwaffensoldaten getötet worden. Die USA haben die Berichte des Überläufers über die Verwicklung Teherans in den Bombenanschlag von Lockerbie zurückgewiesen. Außenamtssprecher Philip Reeker sagte am Montag, die Beweise für die Verwicklung Libyens seien handfest. Die USA würden aber jede Spur verfolgen, auch wenn sie nach Teheran führe. Behbahani sagte, er habe den Lockerbie-Anschlag als Vergeltung für den versehentlichen Abschuss eines iranischen Airbusses durch einen US-Kreuzer fünf Monate vorher vorgeschlagen. Der Iraner erklärte weiter, er habe dafür gesorgt, dass ein in Syrien lebender palästinensischer Terrorist an Bord des PanAm-Jumbos gewesen sei und zwei Libyer für den Auftrag ausgebildet und eingesetzt worden seien. Er habe darüber hinaus Beweise dafür, dass der Anschlag auf die US-Kaserne in Saudi-Arabien von Iran geplant und verübt worden sei. Behbahani wurde am Montag von türkischen und amerikanischen Geheimdiensten verhört. Der türkische Geheimdienst erklärte, der 32-Jährige sei Anfang März illegal eingereist und habe um Asyl in den USA gebeten. US-Agenten sollen ihn an einem geheimen Ort in der Türkei festhalten. Noch keine Bestätigung vom CIA Am 24. Mai hatte das Washingtoner Büro des iranischen "Nationalen Widerstandsrats" gemeldet, dass Behbahani in die Türkei eingereist sei. In Frankreich bestätigte der im Exil lebende erste Präsident der Islamischen Republik, Abolhassan Bani-Sadr, dass Behbahani vor zwei Monaten Iran verlassen und in einem anderen Land Unterschlupf gesucht habe. CIA-Sprecher Bill Harlow sagte, er könne den Bericht des Fernsehsenders CBS weder bestätigen noch dementieren. Derzeit müssen sich zwei mutmaßliche Mitglieder des libyschen Geheimdienstes vor einem schottischen Gericht im niederländischen Camp Zeist wegen des Bombenanschlags verantworten. Das Verfahren hatte am 3. Mai begonnen. Am Montag wurde der Prozess mit weiteren Anhörungen fortgesetzt. (AP)
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