taz Hamburg Nr. 6160 vom 6.6.2000 Gejagt wie Schwerverbrecher Großfahndung in Norderstedt, nachdem elf Männer aus Abschiebeknast flohen Von Elke Spanner Weil sie sich geweigert hatten, Deutschland zu verlassen, kamen sie hinter Gitter. Nun jagte die Polizei die elf Männer wie Schwerverbrecher: 250 BeamtInnen durchkämmten Sonntagabend den Wald rund um das Abschiebegefängnis Glasmoor in Norderstedt, nachdem elf Flüchtlinge ausgebrochen waren. Zehn von ihnen wurden bereits wieder geschnappt - aufgrund des "glücklichen Umstandes", so Jus-tizsprecherin Simone Käfer, dass wegen der Neonazidemo und linken Gegenkundgebungen vermehrt PolizistInnen in Hamburg waren und die Fahndung aufnehmen konnten. Der Ausbruch sei vermutlich eine spontane Aktion gewesen, so Käfer. An einer Nahtstelle des Containerbaus hätten die Männer ein Loch in die Blechaußenwand gestemmt und waren so ins Freie gelangt. Über die Zäune konnten sie klettern, nachdem sie Decken über den obenauf befestigten Stacheldraht gelegt hatten. Noch auf dem Gelände hielten VollzugsbeamtInnen drei der Männer auf. Die übrigen rannten in den Tangstedter Forst, in dem sie im Laufe des Abends von der Polizei wieder aufgegriffen wurden. Nur ein 32jähriger Armenier, der seit vorigen Freitag in Glasmoor gefangen war, befindet sich noch in Freiheit. Einer der Flüchtlinge verletzte sich am Bein und liegt im Vollzugskrankenhaus. Die übrigen wurden mittlerweile in das Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis gebracht - wo strengere Haftbedingungen herrschen. Nach Glasmoor werden sie laut Käfer nicht mehr zurückverlegt. Die meisten der elf Flüchtlinge waren seit wenigen Tagen im Gefängnis, vier von ihnen bereits seit rund einem Monat. Fünf der Männer kommen aus der Türkei, jeweils ein Mann aus Georgien, Armenien, Bulgarien, Litauen, der Ukraine und Afghanistan. In Glasmoor betrug die durchschnittliche Verweildauer der Gefangenen voriges Jahr rund einen Monat. Etliche Flüchtlinge sitzen aber sehr viel länger hinter Gittern - ein Gefangener im vorigen Jahr über 200 Tage. Die Haft wird von der Ausländerbehörde beantragt und vom Amtsgericht verhängt. Selbst Jugendliche ab 14 Jahren kommen nach Glasmoor. Der Abschiebeknast gerät immer wieder wegen des Verdachts in die Schlagzeilen, dass BeamtInnen Gefangene misshandeln. Seit 1995 ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen 18 Bedienstete. Anfang März wurde ein Vollzugsbeamter vom Dienst suspendiert. Er hatte einen 30jährigen Algerier so schwer verprügelt, dass dieser einen Jochbeinbruch erlitt. Die Inhaftierung von ausreisepflichtigen Flüchtlingen ist politisch umstritten. Auch die regierende GAL ist dagegen, konnte sich aber im Koalitionsvertrag mit der SPD nicht durchsetzen. Seither mahnen die GALierInnen einen "humanen Vollzug" an. Die Regenbogen-Abgeordnete Susanne Uhl hingegen bezeichnete Abschiebehaft gestern als inhuman und forderte vom rot-grünen Senat deren Abschaffung.
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