taz 7.6.2000

Green Card für Kriegsverbrecher

40 SLA-SOLDATEN UND IHRE FAMILIEN FINDEN IN DEUTSCHLAND AUFNAHME

Endlich zeigt der grüne Außenminister Flagge. 400 "verfolgten" Angehörigen der proisraelischen Miliz SLA will er in Deutschland Asyl gewähren. Aus humanitären Gründen und als Beitrag Deutschlands im Nahostfriedensprozess. Man muss Joschka Fischer keine bösen Absichten unterstellen. Sehr wohl aber kann man ihm bei dieser hastigen Entscheidung politische Unkenntnis und Kurzsichtigkeit in der Nahostpolitik vorwerfen.

Politische Unkenntnis deshalb, weil die Angehörigen der aufgelösten SLA die Letzten sind, die sich auf Humanität berufen dürfen. Diese Miliz, die im Dienste der israelischen Besatzung stand, ist verantwortlich für den Mord an tausenden Menschen im Libanon sowie für Folter und Zerstörung. Die Teilnahme ihrer Mitglieder an den Massakern in den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Chatila 1982 ist erwiesen.

Dass solche Leute Nutznießer des deutschen Asylrechts sein sollen, ist eine Verhöhnung des Asylrechts, das für politisch Verfolgte, unabhängig von ihrer nationalen und religiösen Zugehörigkeit, gilt. "Dass nach Absprache mit Israel die nach Deutschland kommenden Familien Christen sein sollten", wie der Sprecher des Innenministeriums gestern erklärte, ist außerdem eine selektive Praxis. Die Südlibanesische Armee rekrutierte sich auch aus muslimischen Mitgliedern, die wie ihre christlichen Kameraden nach ihrem Tun und nicht nach ihrer religiösen Zugehörigkeit zu beurteilen sind. Schließlich haben die SLA-Milizionäre im Libanon keine Racheakte zu befürchten. Sie müssen sich nur vor der Justiz verantworten.

Politisch kurzsichtig ist die Aufnahme der SLA-Angehörigen in Deutschland, weil damit die deutsche Rolle im Nahen Osten marginalisiert und diskreditiert wird. Der im Koma liegende Friedensprozess wird dadurch jedenfalls nicht erwachen. Er braucht neue Initiativen, die zu einem umfassenden und gerechten Frieden führen, der die Rückgabe der Golanhöhen an Syrien, die Errichtung eines souveränen palästinensischen Staates mit Jerusalem als Hauptstadt sowie die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge beinhaltet.

Gerade nach dem Scheitern der israelischen Besatzung im Südlibanon wird von dem deutschen Freund Israels erwartet, dem Verbündeten nicht nur bei der Entsorgung der unangenehmeren Folgen dieser Besatzung zu helfen, sondern die Lehren daraus zu ziehen. Und diese besagen, dass militärische Überlegenheit dem Freiheitswillen der Völker unterlegen ist. Das sollte Herr Fischer aus der eigenen Geschichte am besten wissen.

ABDEL MOTTALEB EL HUSSEINI