Frankfurter Rundschau, 7.6.2000 Wand an Wand mit dem Tod Zum Tod des iranischen Schriftstellers Huschang Golschiri "Manchmal nehmen sie vier von uns oder fünf, manchmal nur für eine halbe Stunde. Das passiert halt so," sagte Huschang Golschiri vor knapp zwei Jahren über die Situation iranischer Intellektueller in Teheran, aber es hätte ebenso eine lakonische Stelle in einem seiner Texte sein können. Die Ununterscheidbarkeit von Fiktion und realer Bedrohung der künstlerischen Existenz im Iran steigert sich in den Erzählungen Golschiris zu einer ins Absurd-Monströse anwachsenden Spannung. Sie haben den politischen Autor zu einem der bekanntesten zeitgenössischen Schriftsteller seines Landes gemacht, obwohl die meisten seiner Texte im Iran bislang nicht erscheinen durften. Immer wieder hat er in seinen Texten die Erfahrung der politischen Gefangenschaft thematisiert, die durch die Erzeugung einer permanenten Unsicherheit eben auch zu einer geistigen Gefangennahme wird. So lässt sich die in Briefform erschienene Erzählung "Der Gefangene von Baghan", die er vor eineinhalb Jahren nach einer vorübergehenden Verhaftung in Teheran schrieb, als ein Dokument der Repressionspraktiken des Geheimdienstes ebenso lesen wie als Studie über fortschreitende Paranoia der Verfolgten. Mit der Erfahrung des Verfolgtseins war Golschiri während seiner gesamten publizistischen Laufbahn vertraut. Schon zu Zeiten des Schahs saß er wegen politischer Aktivitäten vorübergehend im Gefängnis. Anfang der achtziger Jahre, zwei Jahre nach der Islamischen Revolution, verlor er seinen Lehrauftrag an der Teheraner Hochschule der Künste. Danach gab er als freier Herausgeber Literaturzeitschriften heraus und war auf die Veröffentlichungen seiner Texte im Ausland angewiesen. So erschien in deutscher Sprache 1998 der Erzählungsband Der Mann mit der roten Krawatte im C.H. Beck Verlag. 1994 war Huschang Golschiri einer der Unterzeichner des "Aufrufs der 134", dem Appell zur Gründung eines unabhängigen iranischen Schriftstellerverbandes, die für Huschang Golschiri erneut Verhöre und vorübergehende Festnahmen zur Folge hatten. Als sich während der provozierten Studentenproteste vor einem Jahr im Iran die Situation erneut zuspitzte, plädierte Golschiri für Mäßigung und Gewaltverzicht. "Wir leben Wand an Wand mit dem Tod" hatte er damals in einem Interview über seine Situation des permanenten Überwachtwerdens gesagt. Am Montag ist Huschang Golschiri im Alter von 63 Jahren an den Folgen von Lungenkrebs gestorben. tt
|