Neue Zürcher Zeitung (CH), 08.06.2000 Nr.132 9 3368 vermisste Personen in Kosovo Das IKRK veröffentlicht ein «Buch der Verschwundenen» jpk. Genf, 7. Juni Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat am Mittwoch in Genf ein 200-seitiges Buch mit den Daten und Namen aller seit Januar 1998 in Kosovo verschwundenen und seither als vermisst geltenden 3368 Personen veröffentlicht. Bei der Präsentierung des Buches appellierte das IKRK an die jugoslawische Regierung in Belgrad und an die Führung der Kosovo-Albaner in Pristina, ihre Anstrengungen zur Klärung des Schicksals der Vermissten zu intensivieren. Dies könne einen wichtigen Beitrag zur Aussöhnung zwischen den Bevölkerungsgruppen in Kosovo leisten, erklärte der Leiter der IKRK-Operationen in Zentral- und Südosteuropa, Andreas Wigger, an einer Pressekonferenz. Bei den Verschwundenen handelt es sich nach Angaben Wiggers zum grössten Teil um Kosovo- Albaner, die während des Krieges im Frühjahr 1999 verhaftet worden waren und deren Schicksal bisher nicht hatte geklärt werden können. Allerdings seien in der Zeit zwischen Januar 1998 und dem 24. März 1999 sowie der Periode vom 13. Juni 1999 bis zum Mai dieses Jahres, also nach dem Rückzug der jugoslawischen Armee aus Kosovo, auch mehrere hundert Serben und Roma entführt worden. Wie Wigger weiter erklärte, hat das IKRK seit Anfang 1998 insgesamt etwa 4900 Namen von Vermissten registriert. Im gleichen Zeitraum habe allerdings das Schicksal von 1573 Vermissten geklärt werden können; 1374 Personen seien von IKRK-Delegierten bei Gefängnisbesuchen in Haftanstalten in Serbien aufgefunden worden, 199 Personen seien tot. Die Chancen, dass die 3368 vermissten Personen noch leben, hält Wigger für gering. Es dürfe zwar nie ausgeschlossen werden, dass ein Vermisster noch lebe, solange sein Tod nicht einwandfrei habe nachgewiesen werden können. Doch die Erfahrungen aus andern Kriegsgebieten, wie zum Beispiel aus Bosnien-Herzegowina, hätten gezeigt, dass nach einer gewissen Zeit die Chance für das Wiederauftauchen von Vermissten klein sei. Trotz diesen düsteren Aussichten sei es aber äusserst wichtig, das Schicksal der Vermissten zu klären, betonte Wigger.
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