Die Welt, 9.6.2000

Frauenkonferenz

UN-Sondergeneralversammlung in New York will Ergebnisse ihrer Pekinger Tagung fortschreiben

Von Irmintraud Jost

New York - Der Blick in die Tagungsräume gibt ein trügerisches Bild: Im Gebäude der Vereinten Nationen (UN) am East River in New York dominieren in dieser Woche die Frauen. Nur wenige Männer haben sich unter die mehr als 10 000 Delegierten gemischt. Die Vertreter von mehr als 180 Mitgliedstaaten sowie zahlreichen Organisationen sind fünf Jahre nach der Weltfrauenkonferenz in Peking jetzt zusammengekommen, weil die Frauen weltweit immer noch keine Gleichstellung mit den Männern erreicht haben. "Kein Land der Welt kann sagen: ,Wir haben es geschafft.' Auch Deutschland ist noch lange nicht im Gleichstellungsparadies angekommen", gibt Frauenministerin Christine Bergmann am Rande der Konferenz zu. Der mühsam errungene Konsens in Peking ist jedoch nicht ganz ohne positive Auswirkungen geblieben. So haben mehr als 60 Regierungen Gesetze gegen die Diskriminierung von Frauen verabschiedet, 16 afrikanische Staaten verbannten die genitale Verstümmelung von Frauen, und in Südafrika zum Beispiel sind inzwischen 30 Prozent der Parlamentarier weiblich. Aber immer noch sind zwei Drittel der 125 Millionen Kinder, die weltweit keine Schulbildung erhalten, Mädchen. Und die Unterschiede zwischen den Löhnen für Frauen und Männer haben weiter zugenommen.

UN-Generalsekretär Kofi Annan kritisierte in seiner Eröffnungsansprache weiter, dass Gewalt gegen Frauen steigt. 22 Prozent aller Frauen in den USA werden Opfer von Gewalt ihrer Lebenspartner. Nach einem Bericht der UN-Organisation Unifem sind in der Türkei 58 Prozent betroffen. Annan forderte außerdem eine internationale Kampagne, um die rasante Verbreitung von Aids unter Frauen und Mädchen einzudämmen.

Bei Themen mit sexuellem Bezug gibt es offensichtlich die größten Probleme, Konsens unter den Mitgliedstaaten zu erreichen. "Wir sind inzwischen vorangekommen, dass die genitale Verstümmelung nicht nur als schädliche Praxis gerügt, sondern als Menschenrechtsverletzung von Frauen eingestuft wird", erklärt die deutsche Ministerin. "Aber bei der Frage des Rechtes auf sexuelle Aufklärung hätte ich erwartet, dass wir ein Stück weiterkommen." Der Vatikan, in einer interessanten Kombination mit moslemischen Ländern wie Pakistan, dem Iran und Libyen, aber auch mit Nicaragua und Polen, versucht - wie auch schon in Peking - die Festschreibung der sexuellen Selbstbestimmung von Frauen in den UN-Dokumenten zu verhindern. Kritische Beobachter wie Amnesty International werfen diesen Ländern vor, die in Peking bereits errungenen Formulierungen wieder unterlaufen zu wollen.

Frances Kissling, Präsidentin der Organisation Catholics for a Free Choice geht in ihrer Kritik so weit, dass sie sich für eine Überprüfung des derzeitigen Beobachterstatus des Vatikans bei den Vereinten Nationen einsetzt. Als einziger bei den UN vertretenen Religion stünde dem Heiligen Stuhl diese Einflussmöglichkeit nicht zu. Der Einfluss des Vatikans sei zudem unverhältnismäßig stark, da "sich kein Land auf einen Streit mit dem Papst einlassen will". Aber gerade um die Aids-Epidemie in Afrika einzudämmen, müsse sich die Konferenz auf bestimmte Aktionen einigen, um die sexuellen Rechte der Frauen zu schützen und zu fördern, betont Adrienne Germain, Präsidentin der International Women's Health Coalition.

Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern, so mahnt auch Peter Piot, Direktor des UN-Programms für HIV/Aids, insbesondere die wirtschaftliche Abhängigkeit der Frauen von den Männern, treibe die Aids-Epidemie weiter an. Nur durch eine Verschiebung der Beziehungen zwischen Männern und Frauen könne die Verbreitung von Aids gestoppt werden. "Männer", so Piot, "müssen eine entscheidende Rolle spielen, um diese wichtigen radikalen Veränderungen durchzusetzen."