Saarbrücker Zeitung, 10.6.2000 Abschiebung auch aus dem "Kirchenasyl" heraus? Erneute juristische Niederlage für Kurdenfamilie Yesin bei "Altfallregelung" - Abschiebung steht unmittelbar bevor - Zwei Wochen Galgenfrist Seit zwei Jahren versteckt sich die Kurdenfamilie Yesin im Blieskasteler Kloster. Ihr Antrag auf "Altfallregelung" wurde abgelehnt, und das Kirchenasyl ist jetzt der einzige Schutz gegen die Abschiebung. Blieskastel/Lebach (ag). Bis zuletzt hatten Fatma Yesin und ihre Kinder darauf gehofft, von der "Altfallregelung" zu profitieren, mit der die Bundesregierung jenen Flüchtlingsfamilien ein Bleiberecht verschaffen wollte, die schon lange in Deutschland leben. Ein entsprechender Antrag wurde jetzt jedoch vom Landesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Lebach) abgelehnt. Die Behörde argumentiert, dass sich Fatma Yesin 1998 der Abschiebung in die Türkei entzogen habe. Damals, in den frühen Morgenstunden des 3. August, waren zwölf uniformierte Polizisten gewaltsam in das Haus der Yesins im Blieskasteler "Mühleneck" eingedrungen, um die abgelehnten Asylbewerber abzuschieben. Wie es jedoch der Zufall wollte, waren nur der Vater und zwei Kinder zu Hause, so dass die Familie in dieser Nacht auseinandergerissen wurde. Die Mutter tauchte daraufhin unter, wurde zeitweise sogar zur Fahndung ausgeschrieben und versteckt sich seitdem mit ihren fünf Kindern im Keller des Blieskasteler Kapuzinerklosters. Unsere damalige Berichterstattung hatte eine Welle der Empörung und Hilfsbereitschaft ausgelöst. Nach neuesten Informationen der "Saarbrücker Zeitung" ist der Familienvater, Hassan Yesin, verschollen, seit er versuchte, mit Hilfe einer Schlepperbande der türkischen Geheimpolizei zu entkommen. Ein in Webenheim wohnender Freund der Familie, der türkische Übersetzer Ünal Kurtdogmus, hat jetzt veranlasst, dass sich ein auf Asylrecht spezialisierter Anwalt aus Saarlouis mit dem Fall befasst. Rechtsanwalt Heinz-Peter Nobert bestätigte auf Nachfrage, dass er Widerspruch gegen den Abschiebungsbescheid eingelegt habe. Trotzdem kann es sein, dass Fatma Yesin und ihre Kinder das Ende des Asylprozesses doch von der Türkei aus verfolgen müssen, sprich mit sofortiger Wirkung abgeschoben werden. Mit einer einstweiligen Anordnung wurde soeben eine 14-tägige Galgenfrist erreicht. Ziel weiterer solcher "Anordnungen" soll sein, dass die Familie zumindest so lange in Deutschland bleiben darf, bis die Sache endgültig entschieden ist. Rechtsanwalt Nobert spielt offenbar auf Zeit, denn die Widerspruchsverfahren beim Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht können sich aller Erfahrung nach durchaus über mehrere Jahre hinziehen. Im Hinblick auf eine ganze Reihe ähnlicher Fälle, die der Jurist Heinz-Peter Nobert derzeit bearbeitet, kritisiert er die seiner Meinung nach "restriktive Praxis" der CDU-Landesregierung: "Dort sucht man systematisch nach Gründen, saarländische Flüchtlinge von der Altfallregelung auszuschließen. Dass hier absichtlich mit sehr knappen Fristen gearbeitet wird, ist für die Betroffenen eine schlimme Praxis." Die Kurdin Fatma Yesin ist verzweifelt. Lebte sie bisher in einer quälenden Ungewissheit, hat sie jetzt ständig Angst, dass sich die nächtliche Abschiebe-Aktion vom August 1998 wiederholt. Rechtsanwalt Nobert tröstet sich damit, dass auch der neue saarländische Innenminister Klaus Meiser (CDU) noch keine Flüchtlinge aus einem "Kirchenasyl" herausgeholt habe. In anderen Bundesländern sind die Behörden indes weit weniger zimperlich. Denn das so genannte "Kirchenasyl" hat lediglich eine moralische Bedeutung, aber keinerlei rechtliche. Und auch im Saarland sollen offiziell alle "Altfälle" bis Ende des Jahres abgeschlossen sein.
|