web.de, 10.06.2000 19:29 Seine großen Ziele hat Assad nicht erreicht Aber als geschickter Taktierer überstand er drei Jahrzehnte im Machtzentrum von Damaskus Von AP-Korrespondent Uwe Käding Frankfurt/Main (AP) Sein Leben lang war Hafis el Assad, der «Löwe von Damaskus» auf dem Sprung, Israel in die Knie zu zwingen und sich zum Führer einer panarabischen Großmacht aufzuschwingen. Die ihm wichtigsten Ziele hat der gewiefte Taktiker nicht erreicht, dafür aber drei Jahrzehnte mit eiserner Hand Syrien regiert und niemanden von Jerusalem bis Washington im Zweifel darüber gelassen, dass ohne ihn eine Lösung des Nahostproblems - die friedliche Koexistenz Israels mit seinen arabischen Nachbarn - unmöglich ist. Am Samstag starb er im Alter von 69 Jahren nach längerer Krankheit. Seit 1983 erlitt er mehrere Herzinfakte, zudem war er zuckerkrank. Assad wurde am 6. Oktober 1930 als neuntes Kind einer alawitischen Bauernfamilie geboren. Wie sein großes Vorbild Saladin, der im 12. Jahrhundert die Kreuzritter besiegte, wollte er der unumstrittene Führer der arabischen Welt werden. Es gelang ihm aber nur, seinen über Syrien hinausgehenden Führungsanspruch auf das Nachbarland Libanon auszudehnen, in das er 1976 eine «Friedensstreitmacht» entsandte - bis heute 35.000 Mann. Mit anderen arabischen Bruderländern bestand dagegen lange Jahre ein tiefes Zerwürfnis: Die diplomatischen Beziehungen mit Kairo brach er wegen des 1979 geschlossenen ägyptisch-israelischen Friedensvertrags ab. Die angestrebte Allianz mit Irak schlug im gleichen Jahr nach dem Machtantritt von Saddam Hussein in eine erbitterte Rivalität um - Assad unterstützte im acht Jahre langen Golfkrieg bis 1988 Iran. Im zweiten Golfkrieg nach der irakischen Annexion Kuwaits beteiligte er sich 1991 an der US-geführten Allianz sogar mit Truppen und gestand Israel das Recht auf einen «maßvollen» Gegenschlag auf irakische Raketenangriffe zu. Großen politischen Einfluss gewann Assad seit dem Staatsstreich der Arabischen Sozialistischen Baath-Partei vom 8. März 1963. Er setzte sich in der Partei für eine Zusammenarbeit mit der Sowjetunion und eine panarabische, gegen Israel gerichtete Politik ein. Die Niederlage im Sechstagekrieg von 1967 und den Verlust der Golanhöhen erlebte er als Trauma, das ihn umso verbissener nach der Macht streben ließ: Nie wieder sollte Syrien gedemütigt werden. In den Wirren des jordanischen Bürgerkriegs schlugen seine Gefolgsleute im November 1970 zu und setzten Staats- und Regierungschef Nureddin Atassi in einem unblutigen Putsch ab. Assad übernahm die Regierung und wurde im Februar 1971 Staatspräsident. Assad eliminierte systematisch alle seine Widersacher und sicherte seine Herrschaft mit einem riesigen Heer aus Geheimpolizisten und Informanten. Eine Revolte der Moslemischen Bruderschaft in der Stadt Homs ließ er im März 1982 gnadenlos niederschlagen - Tausende, in manchen Schätzungen 20.000 Menschen, wurden getötet. Syriens Hochrüstung durch die Sowjetunion brachte im Kalten Krieg die wirtschaftliche Isolation vom Westen und eine hohe Verschuldung mit sich; die radikal sozialistische Politik entfremdete ihn von anderen arabischen Regierungen, die darin einen im Kern atheistische, unislamischen Kurs sahen. Politischer Überlebenskünstler Assad war ein politischer Überlebenskünstler, der es immer verstand, Putschversuche frühzeitig zu vereiteln. Seinem jüngeren Bruder Rifaat, der sich als Vizepräsident eine starke Hausmacht aufbaute, schickte er 1984 ins Schweizer Exil und erlaubte ihm erst 1992 wieder die Rückkehr. Bei den Flügelkämpfen in der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) 1983 setzte er auf den radikalen Flügel gegen Jassir Arafat, versöhnte sich aber 1988 mit dem späteren Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde. Schon dem damaligen US-Präsidenten George Bush signalisierte er nach dem Ende der Sowjetunion im Juli 1991 seine Bereitschaft für eine Friedenskonferenz unter dem Motto «Land gegen Frieden». Die Friedensverhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern unterstützte er im September 1993 in der so genannten Damaskus-Vereinbarung mit den sechs Golfstaaten und Ägypten als «ersten Schritt in Richtung auf einen Nahost-Frieden.» Die Militärchefs Israels und Syriens einigten sich 1995 grundsätzlich auf einen Plan zum phasenweisen Rückzug von den Golanhöhen; eine Umsetzung ließ er aber bis zuletzt an Detailfragen scheitern. Bis zu seinem Tod herrschte Stillstand in den Friedensgesprächen mit Israel. Nach dem israelischen Rückzug aus Südlibanon Ende Mai bahnten sich aber neue Entwicklungen an. Sohn als «Thronfolger» aufgebaut Seit Anfang der 90er Jahre war Assad um eine Nachfolgeregelung bemüht. Sein zum «Thronfolger» auserkorene ältester Sohns Basil kam 1994 aber bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Der zweitälteste Sohn Baschar wurde darauf hin von der Facharztausbildung in London zurückgerufen und musste die Militärakademie besuchen. Lange «Förderer des Terrorismus» Anfang der 70er bis in die 90er Jahre hinein galt Assad den USA als «Förderer des Terrorismus». Syrien soll in die Terroranschläge auf die Flughäfen in Rom und Wien 1985, auf die Deutsch-Arabische Gesellschaft und eine Berliner Diskothek sowie in den Bombenanschlag auf eine El-Al-Maschine 1986 auf dem Londoner Flughafen Heathrow verwickelt sein. Das Geiseldrama in Libanon 1987, bei dem neben Amerikanern auch ein Deutscher lange festgehalten wurde, nutzte Assad, um den Dialog mit den USA wieder aufzunehmen.
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