junge Welt, 13.06.2000

Interview
Zu welchem Schluß kam das Tribunal in New York?

jW sprach mit John Catalinotto, Mitarbeiter des International Action Center (IAC) in New York

(Mitorganisator des Internationalen Tribunals über US-/NATO- Kriegsverbrechen in Jugoslawien, das am Samstag in New York stattfand)

F: Am Samstag erfuhren die NATO und alle Verantwortlichen am Krieg gegen Jugoslawien eine weitere Verurteilung durch ein Gremium von internationalen Experten, nachdem das Europäische Volkstribunal in Berlin die NATO bereits eine Woche zuvor der Kriegsverbrechen schuldig gesprochen hat. Wie sinnvoll sind solche Tribunale in Anbetracht der Haltung des Haager Gerichtshofes?

Wir haben nie eine faire Entscheidung vom Haager Gericht erwartet, denn es wird von den NATO-Staaten finanziert. Daß Carla del Ponte vom Haager Gericht den 2. Juni wählte, um die Ablehnung bekanntzugeben, stellte ein Zeichen dar, daß sie gegen die Volkstribunalentscheidungen von Berlin und Rom setzen wollte. Beide haben die NATO wegen Kriegsverbrechen verurteilt. Dann hat amnesty international (ai) bekanntgegeben, daß sie die NATO in der Frage der Kriegsverbrechen in Jugoslawien für schuldig erklärt. ai enthüllte einige der schlimmsten Angriffe der NATO auf Zivilisten in Jugoslawien. Allerdings reagierte sie zu spät und vernachlässigte andere Vergehen. Das schlimmste Vergehen der NATO ist das Verbrechen gegen den Frieden. Die USA und die NATO führten einen Aggressionskrieg gegen einen souveränen Staat. Das haben wir auf unserem Tribunal aufgezeigt, und die Resonanz bestätigt uns. Mehrere hundert Besucher des vom International Action Center initiierten Tribunals haben am Samstag mit anhaltendem Beifall auf die Verurteilung der NATO und der US-Regierung wegen ihrer Kriegsverbrechen in Jugoslawien reagiert.

Die 19 Anklagepunkte gegen die westliche Kriegsallianz wurden vom ehemaligen US-Justizminister Ramsey Clark ausgearbeitet und vorgetragen. Nach einer eintägigen Beratung im Vorfeld des Tribunals, dem verschiedene Hearings im vergangenen Jahr in den USA vorausgingen, haben die »Richter« ihre Entscheidung einstimmig getroffen, nachdem sie die Aussagen von unzähligen Zeugen angehört haben. Die beteiligten Richter und Zeugen sowie Ankläger Ramsey Clark forderten alle Teilnehmer und Besucher des Tribunals auf, den Kampf gegen künftige Kriege fortzusetzen mit einer weltweiten Kampagne zur Abschaffung der NATO.

F: Welche Aktivitäten plant das IAC nach Ende des Tribunals also?

Wir erwarten eine Schuldigsprechung der NATO. Und wir glauben, die beste Folge ist die, eine weltweite Kampagne zur Abschaffung der NATO in Gang zu bringen. Durch die Arbeit der unzähligen Volkstribunale in der ganzen Welt haben wir einen hohen Grad der internationalen Kooperation erreicht. Damit haben wir eine gute Basis, um gemeinsam gegen Aggressionskriege zu kämpfen. Wir müssen diese Zusammenarbeit aufrechterhalten, denn nur eine Massenbewegung kann künftige Kriege und zunehmende Militarisierung der Politik verhindern.

Wir müssen gegen die NATO ankämpfen und natürlich gegen das US-Pentagon. Und wir erwarten und erhoffen in Europa eine Bewegung zur Zerschlagung der Europäischen Schnellen Eingreiftruppen, die ein Bestandteil zunehmender Militarisierung auch in Europa darstellen. Wir müssen gemeinsam kämpfen.

Interview: Cathrin Schütz, New York