RHEINPFALZ ONLINE, 13.6.2000

Bundesregierung will Fraktionen auch künftig nicht über Waffenexporte informieren

Spürpanzer Fuchs für Arabische Emirate? Der Hintergrund: Es gibt kein Frühwarnsystem für Spannungen in der Koalition

Als die Türkei die Entscheidung über die Bestellung von 1000 Kampfpanzern des Typs "Leopard 2" im April auf das nächste Jahr verschob, konnten die Verteidigungspolitiker der rot-grünen Koalition erst einmal durchatmen. Hatte doch bereits der Wunsch des Nato-Partners nach einem Testpanzer zu einem politischen Flächenbrand geführt, der nur mühsam ausgetreten werden konnte.

Um ähnliche Konflikte auszuschließen, wurden in der Folge die Rüstungsexport-Richtlinien des Bundeskabinetts überarbeitet. Zentrales Kriterium für eine Entscheidung zum Export deutscher Waffen sollte künftig die Menschenrechtssituation im jeweiligen Empfängerland sein. Was Ende vergangenen Jahres als Erfolg gefeiert wurde, ist mittlerweile wieder in Frage gestellt. Denn noch vor der Sommerpause, so heißt es in Koalitionskreisen, soll im Bundessicherheitsrat die Entscheidung fallen, ob die Vereinigten Arabischen Emirate 64 so genannte "Fuchs"-Panzer erhalten sollen, mit denen atomare, biologische und chemische Kampfstoffe aufgespürt werden können. Um zusätzlichen Streit auf dem Grünen-Parteitag am 23. und 24. Juni zu vermeiden, soll der Bundessicherheitsrat zwar frühestens Ende dieses Monats beraten. Doch während nach Ansicht der Bundesregierung auch die neuen Richtlinien einer Exportgenehmigung nicht grundsätzlich im Wege stehen, haben die Grünen noch Einwände. Dabei geht es im Wesentlichen um einen zusätzlichen Waffenturm für den eigentlich defensiven Spürpanzer. "Wir sagen zwar nicht gleich Nein", sagt der außenpolitische Koordinator der Grünen-Bundestagsfraktion, Christian Sterzing aus Edenkoben. Nichtsdestotrotz gebe es bei der anstehenden Lieferung aber einige "Ungereimtheiten": So müsse sichergestellt werden, dass der "Fuchs" durch den Aufbau nicht als Offensivwaffe missbraucht werden könne. Auch die Menschenrechtssituation in den Emiraten sei noch nicht geklärt: So gilt dort laut Amnesty International das islamische Recht, die Scharia. Im vergangenen Jahr seien mindestens acht Menschen zum Tode verurteilt und zwei hingerichtet worden. Auch habe es in der Föderation aus insgesamt sieben Emiraten bislang weder Wahlen gegeben, noch sind politische Parteien erlaubt. Überhaupt, so klagt Sterzing, erfahre er Einzelheiten des geplanten Geschäfts meist aus den Medien und nicht von der Bundesregierung. Denn auch nach der Verabschiedung der neuen Rüstungsexport-Richtlinien beharre die Bun desregierung darauf, dass Exportgenehmigungen letztlich in ihren Aufgabenbereich falle und der Kontrolle des Parlaments enthoben seien. Und nach wie vor tage der Bundessicherheitsrat geheim. "Dabei wäre es der Demokratie zuträglich, wenn das Verfahren transparenter wäre", sagt Sterzing. Ohnehin werde die Geheimniskrämerei um die Rüstungsexporte meist als Waffe gegen die rot-grüne Koalition benutzt: Weil sich die Minister nicht äußern dürften, sei Spekulationen Tür und Tor geöffnet, so dass schnell Berichte über einen handfesten Streit die Runde machten. Auch der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gernot Erler fordert bei Rüstungsentscheidungen der rot-grünen Bundesregierung mehr Transparenz. Zwar sei die Überarbeitung der Exportrichtlinien aus dem Jahre 1982 ein wichtiger Schritt gewesen. Doch nur durch eine Art "Frühwarnsystem" könne vermieden werden, dass es in der Koalition immer wieder zu Spannungen bei Waffenlieferungen komme. Im Gespräch mit der RHEINPFALZ schlug Erler deshalb vor, künftig bei sensiblen Entscheidungen die Fraktionsvorsitzenden der Koalitionsparteien zu informieren, die gegebenenfalls noch ihre Fachpolitiker ins Vertrauen ziehen könnten: "Konflikte gibt es schließlich nur, wenn die Fachleute sagen, sie hätten von nichts gewusst. Das sind dann sozusagen Aha-Effekte auf Grund des geheim tagenden Bundessicherheitsrats." Sterzing geht noch einen Schritt weiter und fordert nach amerikanischem Vorbild einen Parlamentsausschuss, der sich mit Rüstungsexporten befasst. Doch weder der eine noch der andere Vorschlag haben eine Chance auf Verwirklichung. Denn die Bundesregierung stelle die Arbeitsweise des Bundessicherheitsrats auch nach Verabschiedung der neuen Rüstungsexport-Richtlinien nicht in Frage, sagte eine Regierungssprecherin auf Anfrage. Der Rat tage nun einmal geheim - und daran werde sich nichts ändern.

Von unserem Redakteur: Erhard Stern